Vergiß die Nabelklemme! Nabelschnurklemmen sind unnatürlich und manipulieren die Physiologie der Geburt.

Eine der häufigsten Fragen, die eine Alleingeburtlerin zu hören bekommt ist “Und wie hast Du das mit der Nabelschnur gemacht?” Wenn Außenstehende diese Frage stellen, dann haben sie die Vorstellung im Kopf, dass eine Nabelschnur nach der Geburt professionell durchtrennt werden muss. Zwei Nabelklemmen und eine Schere sind das Werkzeug-Set, welches professionelle Geburtshelfer parat halten um die Einheit von Mutter und Kind zu trennen. Seit es in den 60er Jahren Mode wurde, die Väter im Kreißsaal zu tolerieren, übergab man ihnen sogar die ehrenvolle Aufgabe, die Nabelschnur selbst durchzuschneiden. Natürlich erst nachdem von Geburtshelfern sterile Nabelklemmen gesetzt wurden. Den Einsatz dieser Nabelklemmen zu hinterfragen soll Thematik dieses Artikels sein, denn sie sind unnatürlich und manipulieren die Physiologie einer Geburt.

Einfluss der Nabelklemme auf das Kind

Um den Einfluss einer Nabelklemme auf das Kind zu verstehen müssen wir uns zunächst der Verteilung des Blutes gewahr sein. In der medizinischen Fachliteratur wird die Blutmenge eines Fetus im Bauch seiner Mutter mit 120ml/kg Körpergewicht angegeben. Dieses kindliche Blutvolumen verteilt sich auf den Fetus selbst, seinen Mutterkuchen und die Nabelschnur. Während der Schwangerschaftswochen ändert sich jedoch die Verteilung  des kindlichen Blutvolumens.

Liegt die Verteilung bis etwa zur 30. Schwangerschaftswoche bei 50 zu 50 ändert sie sich zum Ende der Schwangerschaft auf 40 zu 60.

 

Rechnen wir das mal kurz aus. In einem durchschnittlich gut entwickelten Fetus mit ca. 3500 Gramm Körpergewicht fließen bereits 420 ml Blut. Wird das Kind bis zum Ende der Schwangerschaft ausgetragen befinden sich also ca. 252ml (60%) im Kind selbst und ca. 168ml (40%) zirkulieren noch außerhalb des Kindes, nämlich in der Nabelschnur und in der Plazenta.

Wow. Das ist eine ganze Menge, nicht wahr?

 

Kappen wir unmittelbar nach der Geburt die Blutversorgung mit einer Nabelklemme an der Seite des Kindes, rauben wir dem Kind also 40% seines Blutes, welches samt seiner lebenswichtigen Bestandteile nicht mehr zu ihm fließen kann. Die Folgen sind Anpassungsstörungen, Atem- und Kreislaufschwierigkeiten.

 

 

Das Blut gehört IN das Kind!

 

Ursprünglich war die Nabelschnurklemme an der kindlichen Seite dafür gedacht das Neugeborene vor Infektionen und Ausbluten zu schützen. Da sich aber mittlerweile die positiven Effekte des vollständigen Auspulsierens der Nabelschnur herumgesprochen haben dürften, besteht hier gar keine Gefahr mehr, denn die Blutgefäße sind längst kollabiert und lassen dann weder Infektionen rein, noch Blut wieder heraus. Wenn an einer auspulsierten Nabelschnur noch eine Klemme angebracht wird scheint das vielleicht einen rituellen Charakter zu haben, aber sinnvoll ist es nicht mehr.

 

Einfluss der Nabelklemme auf die Nachgeburtsphase

Klemmen wir nun auch noch eine zweite Klemme an die Nabelschnur zur Plazentaseite hin, haben wir noch einen zweiten negativen Effekt. Nämlich den, dass das verbliebene Blut innerhalb der Plazenta (40%) nicht herausfließen kann. Ein prall gefüllter Mutterkuchen kann also nun sein Volumen nicht verringern und in der Folge nicht geboren werden.

Wenn die Plazenta nicht zügig kommt, greifen Geburtshelfer meistens ein und ziehen an der Nabelschnur während sie mit der  flachen Hand auf die Bauchdecke der frischen Mama herumdrücken.  In seltenen Fällen verschwindet die Hand des Geburtshelfers bis zum Unterarm in der Vagina, um den Muttermund wieder aufzudehnen und die Plazenta zu greifen.

Eine solche Prozedur ist nicht nur schmerzhaft sondern unnötig, wenn das Fließen des Blutes aus der Plazenta nicht zuvor durch eine Nabelklemme verhindert worden wäre. (Fraglich ist auch, ob das Abklemmen per se eine Plazentalösestörung und nachgeburtliche Blutungen erst verursacht?)

Sofern die Plazenta nicht oder nicht vollständig von der Gebärmutterwand gelöst ist, wird die junge Mama zurück in den OP geschoben und ausgeschabt. Das klingt nicht nur brutal, das ist es auch! Und es ist keiner Frau zu wünschen nach einem intensiven Geburtsakt solch eine schreckliche Nachgeburtsphase zu erleben, denn ihr Fokus sollte zu diesem Zeitpunkt längst auf ihrem Kind liegen.

Respektvoller Umgang mit Blut

Wahrscheinlich wirst Du jetzt sagen “Naja, aber ohne Klemme tropft ja dann das Blut aus der Nabelschnur und das ergibt eine riesige Sauerei!” dann möchte ich Dir empfehlen, an Deiner Einstellung zu diesem roten Lebenselixier zu arbeiten, denn es ist alles andere als eine “Sauerei”.  Es ist der Saft des Lebens. Genau genommen bleibt die “Sauerei” aus, wenn Dein Kind so lange mit seiner Schnur verbunden bleibt, bis der rote Saft vollständig in ihm angekommen ist.

Wenn es jedoch nötig scheint, die Nabelschnur noch vor der Plazentageburt zu durchtrennen, z.B. weil sie extrem kurz ist und Du sonst Dein Kind nicht zur Brust nehmen kannst, dann warte zumindest bis sie vollständig auspulsiert ist und lass dann das Blut aus der Nabelschnur an der Plazentaseite einfach hinausfließen/heraustropfen. Hab keine Angst. Schaue mit vollem Respekt für dieses Lebenselixier und mach Dir keinen Stress, wenn es irgendwo hin tropft. (Übrigens : mit richtig kaltem Wasser lassen sich Blutflecken rückstandslos aus den meisten Materialien entfernen.)

Nachteile der Nabelschnur-Klemmen auf einen Blick

Nabelschnurklemme am Baby:

  • verhindert, dass die eigenen Blutreserven zum Baby fließen, die lebenswichtige Sauerstoffträger, Stammzellen und wichtige Bestandteile enthalten, welche bei Verlust erst zu Atemproblemen und Anpassungsschwierigkeiten führen können;
  • erzeugt ein geringeres Geburtsgewicht (je nach Kind 100g bis 200g);
  • die typische Plastik-Nabelschnurklemme  ist ein Fremdkörper auf der zarten Babyhaut, welcher Druckstellen verursacht;
  • stört den nackten Haut-an-Haut-Kontakt zwischen Eltern und Baby

Nabelschnurklemme an der Plazentaseite:

  • behindert den Blutfluss und erlaubt der Plazenta nicht, ihr Volumen zu verkleinern, welcher in der Folge zu nachgeburtlichen Komplikationen führen kann

 

Solltest Du also eine Alleingeburt planen, dann kannst Du getrost die Anschaffung von zwei Nabelklemmen von Deiner Checkliste streichen. Planst Du eine Geburt mit Unterstützung von professionellen Geburtshelfern, dann frag sie vorab, wie sie den Gebrauch von Nabelklemmen handhaben und fixiere in Deinem schriftlichen Geburtsplan, dass Du keine Anbringung von Nabelschnurklemmen wünschst, weil Du Deinem Baby sein gesamtes Blut gönnst und zum anderen eine zügige Volumenreduzierung der Plazenta möchtest, welches Deine  Nachgeburtsphase erleichtern wird.

Was in der Abnabelungsphase wirklich benötigt wird, ist Geduld!

Abheilen des Nabels OHNE Nabelklemme

 

Nabelschnurrest 3 Tage nach der Geburt

 

Bildnachweis: Fotolia_181624307 © WONG SZE FEI; Fotolia_183531723 © Artemida-psy; Fotolia_2542854 © Torsten Lorenz; Fotolia_2542813 © Torsten Lorenz; Nabelschnurrest ©Jobina Schenk

 

13 Gedanken zu „Vergiß die Nabelklemme! Nabelschnurklemmen sind unnatürlich und manipulieren die Physiologie der Geburt.“

  1. Eine frage nachdem du die nabelschnur auspulsieren lassen hast, hast du sie ab welcher länge durchtrennt? Und hast du sie einfach so gelassen? Kann nichts passieren wie infektionen oder so

    1. Liebe Farah,
      Ich habe die Nabelschnur nach dem Auspulsieren intuitiv etwa mittig durchgeschnitten. Da der lange Nabelschnurrest im Tragetuch extrem störte, habe ich ihn dann nochmal gekürzt, so dass nur noch der Stummel übrig blieb, der im untersten Bild des Blogartikels zu sehen ist.
      Vielleicht ist es ratsam, sich gar nicht auf eine bestimmte Länge zu versteifen, sondern intuitiv zu reagieren. Wenn ein Neugeborenes zum Beispiel ausgiebig und ausschließlich 10 Tage mit seiner Mama im Wochenbett liegt und keine Windeln trägt, dann stört ein langer Nabelschnurrest weniger als bei einer Familie, wo die Frau ziemlich schnell mit dem Baby auf den Beinen ist. Es gibt bezüglich der Länge wo die Nabelschnur durchtrennt wird kein „Richtig“ und kein „Falsch“.

  2. Bei uns wurde zwar auspulsiert aber danach abgeklemmt und durchtrennt. Mein Sohn war super fit. Ich hatte genau die beschriebene leidvolle Erfahrung. Die Nachgeburt wurde aus mir raus gedrückt und zwei Stunden später gabs die Not OP, Ausschabung unter Vollnarkose.

    1. Danke für Deinen Kommentar, liebe Alex. Die Geburtshilfe ist im steten Wandel und jede Frau die darüber Bescheid weiß, dass es unsinnig ist den Blutfluss der Plazenta zu unterbrechen wird zukünftig einfordern diese Handlung zu unterlassen. Und irgendwann wird es selbstverständlich und diese Gewalt an Frauen darf dann endlich aufhören. ❤️

  3. Danke für diesen wertvollen Beitrag! Wir haben mit einem Bändchen nach 2 Std abgeklemmt. Kannst du das empfehlen oder tatsächlich gar keine Schließung?
    Liebe Grüße,
    Daniela

    1. Die Nabelschnur am Kind kann nach 2 Std. sicherlich mit meinem Bändchen versehen werden. Es ist dann aber eher zu „Dekorationszwecken“ oder halt eine Art „Accessoires“. Für das Kind ist immer ein Auspulsieren wichtig und für Dich als Gebärende der freie Fluss des Blutes ohne Abbinden an der Plazentaseite.

    1. Liebe Stefanie,
      der Zeitabschnitt bis zum endgültigen Auspulsieren der Nabelschnur ist abhängig von vielen Faktoren: Geburtsreife des Kindes, die Art der Geburt, die Dauer der Geburt …
      Wofür benötigst Du eine ungefähre Zeitangabe?

      Liebe Grüße
      Jobina

  4. Ich habe bei meiner Tochter die Nabelschnur einfach drangelassen (Lotusgeburt)
    ; die plazenta nach ca. 24h in Salz & Kräutern eingelegt…
    Es war faszinierend zu beobachten, wie meine Tochter jeden Tag ganz koordiniert mit ihren Händchen nach der Nabelschnur gegriffen hat und sie ganz sanft berührt hat. Am 4. Tag hat sie etwas dagegen gedrückt und am 5. Tag hat sie sich – ich sage jetzt einmal – selbst abgenabelt mit ihrem Fuß. Danach hat es sich so angefühlt, als wäre ich jetzt vollkommen zuständig.

    1. Das würde mich auch stark interessieren, bei mir werden es 2 mit 2 Plazenten. Eine Alleingeburt mit Pool ist geplant, aber manchmal ist ja die Nabelschnur auch so extrem kurz, das man sie nicht aus dem Wasser holen könnte? Dann lieber schwimmen lassen oder abnabeln?

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