Ungeplante Alleingeburt nach ICSI bei PCO

Ungeplante zauberhafte Alleingeburt nach ICSI

Geburtsbericht von Gastautorin Nadine

Ich wollte immer schon Mutter werden und hoffte deshalb, einen Mann zu finden der auch viele Kinder wollte. Ich finde Kinder sind das Glück dieser Erde und ich fühlte mich schon immer zu ihnen magisch hingezogen und sie zu mir. Einen kleinen Menschen zu begleiten, ihn wachsen und lernen zu sehen und ihn dabei zu unterstützen, den Dingen auf den Grund zu gehen, war meine Bestimmung. Deshalb musste ich auch einfach Erzieherin werden.
Niemals kam mir der Gedanke, dass es einmal schwer werden könnte schwanger zu werden. 2015 ging es mir gesundheitlich schlecht. Ich war dauerhaft erschöpft, hatte monatelang keinen geregelten Zyklus und nahm innerhalb weniger Monate 21kg zu. Wenn ich euch hier die ganze Geschichte erzählen würde, dann säßen wir morgen noch hier, deshalb fasse ich mich kurz.
Nach vielen, vielen Untersuchungen stand fest: Polyzystisches Ovarialsyndrom (PCO), Endometriose 2. Grades, ein Eierstock undurchlässig, Gelbkörperhormonschwäche, Schilddrüsenunterfunktion, Insulinresistenz. Die Wahrscheinlichkeit auf natürlichem Wege schwanger zu werden, war gleich null.
Eine Welt brach für uns zusammen. Jeden Tag bin ich von Kindern umgeben und ich sollte keine eigenen bekommen können. Unvorstellbar und unerträglich…


Ziemlich bald schon meldeten wir uns bei einer großen Uniklinik zur künstlichen Befruchtung an. Am Telefon teilte man uns mit, dass die Wartezeit 12 Monate betrug. Ich dachte zuerst, ich hätte mich verhört, doch auch zwei weitere Kliniken in unserer Umgebung teilten uns diese unglaublich lange Wartezeit mit. Wir waren verzweifelt und obwohl damals noch kein aktiver Kinderwunsch bestand, drängte es jetzt umso mehr. Wir verbrachten die 11 Monate Wartezeit mit Clomifen Therapien und Sex nach Plan. Besser als gar nichts zu tun, aber leider in unserem Fall wirkungslos. Als wir endlich unserem Termin in der Uniklinik hatten, waren wir schon vorbereitet wie Experten. Immerhin hatten wir ein Jahr Zeit zu lesen, zu lesen und noch mehr lesen. Wir testeten im Vorfeld viel ab, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren und gingen mit einem vollen Ordner zum Erstgespräch.

Die Ärztin staunte nicht schlecht. Sie fragte immer wieder, ob wir vom Fach wären oder woher wir uns sonst so gut auskennen. So war ich schon mein Leben lang. Ich muss immer die Kontrolle behalten, möchte informiert sein und nicht irgendwelche Dinge hinnehmen, ohne zu wissen was sie meinem Körper anrichten. In den zwei folgenden Zyklen wurde noch die fehlende Humangenetik abgeklärt und ein Zyklusmonitoring gemacht. Nach dem Spermiogramm stand fest: ICSI ist unsere Wahl.

Der Stimulationsvorgang lief sehr, sehr gut. Wir konnten unglaubliche 27 Eizellen entnehmen lassen. (Jaaa ich weiß, absolute Überstimulation) 17 konnten erfolgreich befruchtet werden und wurden direkt eingefroren. Um von all den Monaten zu erzählen, würde ich auch hier den Rahmen sprengen, deshalb fasse ich mal zusammen: Die Zeit der künstlichen Befruchtung war eine sehr, sehr schreckliche Zeit. Denn jeder Monat war ein Auf und Ab der Gefühle und hat uns manchmal an den Rand des Belastbaren gebracht. Gott sei Dank haben uns alle Verluste noch enger zusammengeschweißt und unsere Liebe wurde dadurch größer. Ich danke Gott jeden Tag für diesen unglaublich tollen Mann an meiner Seite, der nie die Hoffnung und nie seine positive Sichtweise verloren hat. Nach endlosen 12 Versuchen bekamen wir 2017 endlich das ersehnte Blutergebnis: Schwanger, mit Zwillingen!

Die Freude war grenzenlos, ich konnte es kaum fassen, endlich hatte es geklappt! Familie, Freunde, Arbeitskollegen, alle waren aus dem Häuschen. Wir hatten nie ein Geheimnis um unsere Situation gemacht und so drückten jeden Monat etliche liebe Menschen die Daumen.
In der 9. SSW dann der Schock. Ein Pünktchen ist zu den Sternen gegangen. Wir waren sehr traurig und ab hier war sie da: die Angst.

Ich hatte kein Vertrauen mehr in meinem Körper. Er war mein Feind, der nicht fähig war aus eigener Kraft ein Baby zu zeugen, mich dann verraten und eins gehen lassen hat.

Auch hier wäre es wieder zu lange alles ausführlich zu berichten, deshalb kurzum: 26.SSW, aufgrund der laaaangen künstlichen Befruchtung, der Eingriffe und Medikamente, hat sich mein Gebärmutterhals auf 0,8 cm verkürzt. Es drohte ein akutes Frühgeburtsrisiko. Also ab in die Klinik, Pessar Cerclage gelegt, Lungenreife, hochdosiertes Progesteron und absolute Bettruhe.
Am 23.01.2018 erblickte unser 1. Sohn die Welt.

Geburtsgeschichte 1. Sohn:

Meine erste Geburt war keine furchtbare Geburt. Aber definitiv nicht so selbstbestimmt wie ich es mir immer gewünscht hätte. Ich war schlicht und einfach überhaupt nicht darauf vorbereitet, was mich unter der Geburt erwarten würde. Am 23.01. wachte ich wieder einmal mit Nierenschmerzen auf. Mittlerweile waren wir bei 37+4 und wir waren verblüfft, so weit gekommen zu sein. Ich machte mich auf den Weg zum Frauenarzt, um die Nieren schallen zu lassen. Als ich dran war, sagte er schnell, das ist nicht die Niere. Sie haben Geburtswehen.
Das CTG zeigte, alles ist ok mit meinem Baby. Ich sollte nach Hause und so lange laufen bis ich nicht mehr reden konnte, dann sollten wir in die Klinik fahren. Meine Mutter hatte zwei Blitzgeburten und auch alle anderen Frauen in meiner Familie bekamen zügig ihre Babys. Mit diesem Wissen und dem verkürzten GMH ging ich ebenfalls von einer schnellen Geburt aus.

Nach einer Stunde laufen im Wohnzimmer habe ich die Schmerzen nicht mehr ausgehalten und wir fuhren in die Klinik. Rückblickend kann ich nun eindeutig sagen, dass ich überhaupt nicht wusste, wie man richtig atmet. Bei jeder Wehe hielt ich die Luft an und spannte dabei auch meinen ganzen Körper an. Die Schmerzen waren unerträglich. Ich war voller Ehrfurcht und hatte schnell das Gefühl, dass ich die Geburt nicht schaffen würde.
Mein Mann war mir eine große Hilfe, er stand mir bei jeder Wehe bei und lobte mich in den Himmel. Auch die Hebamme war spitze. Sie war einfühlsam, geduldig und nicht übergriffig.

Nach 5 Stunden begannen die Presswehen und sie öffnete die Fruchtblase. Das Fruchtwasser zeigte deutlichen Mekonium Abgang und die Hebamme holte zu den Presswehen einen Arzt hinzu. Ich musste mich auf den Rücken legen, obwohl sich alles in mir sträubte. Dann legte sich der Arzt ungefragt über meinen Bauch und schob mit aller Kraft das Baby aus mir heraus. Ich war entsetzt über diese Vorgehensweise und verstand nicht warum, ich schrie ihn in völliger Panik und unter schrecklichen Schmerzen an. Ein Dammriss zweiten Grades war die Folge. Das macht mich bis heute richtig wütend… Dann folgte der schönste Augenblick, als sein Kopf geboren wurde. Diesen magischen Moment werde ich nie vergessen. Nach insgesamt 5 Stunden wurde unser kleines Wunder geboren.

Als er geboren wurde sah ich sofort das etwas nicht stimmte. Er war blau/grau, schlapp und bewegte sich nicht. Eine unvorstellbare Angst machte sich breit. Dann ging alles ganz schnell. Sie trugen ihn zum Behandlungstisch und saugten seine Nase frei. Er wimmerte, aber weinte nicht. Der Arzt nahm unser Baby in ein anderes Zimmer und die Hebamme nahm meinen Mann mit.

Da lag ich nun ganz allein im Kreißsaal. Ich konnte mein Baby nicht mal begrüßen, nicht anfassen, küssen, riechen, ihm sagen wie sehr ich ihn liebe. Dieses Gefühl werde ich niemals vergessen… Gefühlt eine Ewigkeit später kam mein Mann zurück und sagte mir, dass alles ok ist. Unserem Baby geht es gut. Er durfte die ganze Zeit bei ihm bleiben, anscheinend hatte er von dem Pessar Cerclage eine Infektion, die über die Eihaut zum Baby aufgestiegen ist. In den ersten beiden APGAR Tests hatte er Anpassungsschwierigkeiten. Die Hebamme brachte mir ein Foto von unserem Schatz und sagte, ich dürfe 24h nicht zu ihm. Er wäre auf der Säuglingsstation überwacht. Kurz darauf kam der Arzt zurück und sagte wir hätten einen kleinen Kämpfer – ja das war er von Anfang an – aber er sagte, nun müsse er nähen. Das war mehr als ich in diesem Moment aushalten konnte, ich weinte alle Gefühle heraus.

Das fehlende Bonding und die Hilflosigkeit bei der Geburt waren der ausschlaggebende Punkt bei der nächsten Geburt vieles anders machen zu wollen. Ich kämpfte lange mit unserer Geburtsgeschichte und hatte bei dem Gedanken an eine weitere Geburt Schweißausbrüche. Deshalb entschied ich, mir professionelle Hilfe zu holen. Mein Sohn litt unter schweren Schlafstörungen (das ist ebenfalls eine lange Geschichte) und ich suchte uns eine Therapeutin, die sich auf frühkindliche Schlafstörungen sowie Geburtstraumata sowohl bei Erwachsenen als auch Kindern spezialisiert hatte. Was soll ich sagen, sechs Einzel Sitzungen mit mir und vier Sitzungen mit unserem Sohn und er schlief mit 1,10 Jahren zum ersten Mal durch. Ich konnte meinen Frieden mit unserer Geburtsgeschichte und der künstlichen Befruchtung schließen und ich war mit sicher: Es ist nicht egal, wie wir geboren werden. Zeitgleich entschieden wir uns im September 2019 wieder für ein Baby und transferierten eine der Blastozysten. Diesmal klappte es auf Anhieb. Ich war beim ersten Mal sofort schwanger.

Ich las Bücher zum Thema Hypnobirthing, instinktive Geburt und Flowbirthing. Ich wollte diesmal eine schöne Geburt haben. Beflügelt und in voller Vorfreude nahm ich Kontakt zu einer Flowbirthing-Mentorin auf, die sich ebenfalls auf Hypnose spezialisiert hatte. Manchmal trifft man Menschen und hat sofort dieses gute Gefühl, dass sie das Leben bereichern werden. So war dieses erste Treffen für mich. Sie begleitete mich die ganze Schwangerschaft bis zu Geburt und darüber hinaus. Ich lernte meinen Körper wieder zu vertrauen. Bewusste Atemtechniken und mentales Training waren der Grundstein und wir machten wunderbare Partnerübungen. Wir entfernten belastende Gedanken und Gefühle aus dem tiefen Bewusstsein. Wir bauten uns einen Raum der perfekten Geburt und ich fühlte mich nach 4 Monaten täglicher (Eigen-)Hypnose auch perfekt vorbereitet. Die gesamte Schwangerschaft war einfach nur wunderschön. Obwohl ich ab der 29. SSW. wieder den verkürzten Gebärmutterhals hatte und ich ebenfalls den Pessar Cerclage wählte, waren meine Gedanken durchweg positiv. Ich verzichtete auf die Lungenreife und einen Krankenhausaufenthalt. Ich spürte, dass es mein Baby gut geht. Ich hatte mir eine intensive Verbindung zu meinem Baby aufgebaut und spürte was wir beide brauchten.

Geburtsgeschichte 2.Sohn

Einen Tag vor der Geburt: Ich hatte wieder mal einen Kontrolltermin beim Frauenarzt und das CTG sah super aus. Der Ring kam vor zwei Wochen raus und wir befanden uns immerhin bei 38+4. Ich hatte bis dato an zwei Tagen Senkwehen. Sie waren intensiv genug, um sie veratmen zu müssen, aber weder regelmäßig noch anhaltend. Bei der Untersuchung kam heraus: 4cm Muttermund geöffnet und Gebärmutterhals war ja sowieso schon lange verstrichen. Der Arzt sagte, wenn es los geht, soll ich mir lieber nicht so viel Zeit lassen, denn unsere Wunschklinik liegt 30 min entfernt. Als ich nach Hause kam, telefonierte ich mit meiner lieben Flowbirthing-Mentorin und erzählte ihr die aktuellen Neuigkeiten. Sie fragte mich ganz sanftmütig, ob ich mir vorstellen könnte eine Hausgeburt in Betracht zu ziehen. Irgendwas hemmt mein Baby los zu lassen und vielleicht wünscht es sich ja eine Hausgeburt. Wir hatten darüber schon oft geredet…
Ich muss dazu sagen, dass ich den Gedanken einer Hausgeburt zauberhaft gefunden habe. Durch das Hypnobirthing und die zahlreichen Bücher war ich regelrecht begeistert von der Vorstellung es sehr intim zu gestalten, aber bitte nicht ohne Hebamme und die hatte ich nicht. Außerdem hatte ich von Anfang an zu viel Angst, dass das Baby ebenfalls eine Infektion haben könnte, so wie mein 1. Sohn. Eine Alleingeburt fand ich mit unserer Vorgeschichte unvorstellbar. Wir sprachen nochmal alle wichtigen Punkte durch und mir ging es richtig gut.

Tag der Geburt:
Mit dem Wissen, dass die Geburt im Grunde unmittelbar bevorstand, verbrachte ich einen wunderschönen Tag mit unserem großen Sohn. Am Abend nahm ich ein schönes Bad, las ein Buch bei Kerzenschein und wir hatten danach zärtlichen Sex. Wir dachten, das könnte sanft Wehen auslösen, denn ich fühlte mich bereit. Keine 20min danach begannen die ersten Senkwehen. Zumindest fühlte es sich wieder so an. Rückblickend waren es Geburtswehen, aber ich hatte die als solches nicht erkannt, weil ich sie nicht als schmerzhaft empfunden hatte. Die Wehen kamen unregelmäßig und nicht besonders intensiv. Ich konnte sie entspannt veratmen und freute mich, dass es los ging. Ich bereitete mir, meinen perfekten Geburtsort zu Hause vor. Ich machte Kerzen an, hörte Entspannungsmusik, lief durch das Wohnzimmer und mein Mann streichelte mich liebevoll.
Nach 3 Stunden konnte ich immer noch keine Regelmäßigkeit festlegen. Es war mittlerweile 2 Uhr nachts und ich verspürte noch keine Notwendigkeit in die Klinik zu fahren. Ich beschloss mit meinem Baby zu reden. Ich sagte ihm, wie sehr ich ihn liebe und dass ich bereit bin ihn zu empfangen, wenn er auch bereit ist, ich gehe jetzt duschen und entweder würden die Wehen intensiver werden oder weg gehen und wir gehen zusammen schlafen. Also ging ich duschen und danach waren die Wehen tatsächlich weg. Ich war ehrlich gesagt sogar enttäuscht, weil ich mich emotional darauf eingestellt und gefreut hatte und nun würde es doch nichts werden.
Wir gingen schlafen. Um 5.15 Uhr wurde ich wach, weil mein Baby die Fruchtblase öffnete. Da bei der ersten Geburt ja die Hebamme die Fruchtblase öffnete, wusste ich nicht, wie es sich anfühlt. Ich war sofort hellwach und fasziniert von diesem Vorgang. Ab da wusste ich, dass mein Baby innerhalb der nächsten 12 Stunden geboren wird. Ich weckte meinen Mann und sagte ihm, was passiert war. Ich wollte noch liegen bleiben und warten, ob Wehen einsetzen. Er packte die letzten paar Sachen und ging duschen…

Nach ca. 15 min rollte die erste kräftige Geburtswelle über mich hinweg. Diese Urkraft ist einfach gewaltig und kaum zu beschreiben. Ich wusste, dass es jetzt ernsthaft los geht und musste das Schlafzimmer verlassen, um unserem großen Sohn nicht zu wecken. Der schlief seelenruhig in unserer Mitte und bekam von alldem nichts mit. Auf dem Weg ins Bad verlor ich Blut und Fruchtwasser. Ich stellte mich in die Badewanne, und musste bei jeder Welle laut tönen. Ich spürte, wie sich mein Baby in meinem Körper nach unten bewegt. Ich verlor jedes Zeitgefühl. In den Wellenpausen atmete ich tief ein und redete mit meinem Baby, das alles ok ist und er es super macht. Mein Mann sagte währenddessen meinen Schwiegereltern Bescheid, dass wir jetzt in die Klinik fahren und sie auf unseren großen Sohn aufpassen müssen. (sie wohnen direkt über uns). Als er zurückkam, sagte er: „Komm Schatz, wir müssen los.“ Doch mich hätten zu diesem Zeitpunkt keine 10 Pferde in unser Auto bewogen. Bei jeder Welle kam ein Stoß Fruchtwasser und Blut und ich stand immer noch in der Badewanne. Da wurde uns beiden bewusst, dass wir es nicht mehr in die Klinik schaffen.

Plötzlich fühlte ich eine tiefe innere Ruhe, mein Kopf war leer und sagte mir immer nur das Mantra, mach dich weeeeeit…lass looooos, nicht pressen, der Körper macht es alleine…. ich verließ die Badewanne und ging mit der nächsten Wellenpause auf die Toilette. Dann kniete ich mich vor die Badewanne. Ich spürte das Köpfchen direkt vor dem Austritt. Ich wusste, dass er gleich geboren wird. Diese Fülle ist unglaublich. Mein Mann rief währenddessen den Rettungswagen, falls unser Baby medizinische Hilfe bräuchte. Doch ich spürte einen tiefen Frieden in mir. Ich wusste, es geht ihm gut und bald sind wir vereint. Nach dem Telefonat kniete er sich hinter mir auf den Boden. Ich sagte ihm, dass jetzt das Köpfchen geboren wird. Mit der nächsten Welle galt meine ganze Konzentration nicht zu pressen, sondern mit dem Atem zu schieben. Der Kopf war geboren.

Die Wellenpause fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Mein Mann streichelte den Kopf des Babys und sagte immer wieder: „Oh Gott, ich glaub das nicht. Du machst das so toll Schatz …“ Ich sagte, er soll ihn auffangen, denn mit der nächsten Welle würde er geboren werden. Und so war es auch, bei der nächsten Welle machten mein Körper und das Baby alles allein, die Schwerkraft zog das Baby aus mir heraus und es glitt in die liebevollen Arme meines Mannes.

Ungeplante Alleingeburt

Die Zeit steht still. Diese Schöpfungskraft ist unglaublich. Ich konnte unser Baby direkt in den Arm nehmen und es sah mich mit wachen Augen an. Seine Nase und Mund waren voller Schleim und ich saugte beides mit meinem Mund instinktiv frei. Ein kurzes Weinen zeigte allen im Haus, dass unser Schatz angekommen ist. Es war 6.12 Uhr. Währenddessen kam der Rettungswagen an. Meine Schwiegermutter lotste alle ins Badezimmer und sie vergewisserten sich, dass es uns augenscheinlich gut geht. Ich bekam von alldem um mich herum kaum was mit. Mein Adrenalinspiegel war auf dem Höchstpunkt und ich hörte alles weit, weit weg. Alles was zählte, waren diese unglaublich schwarzen kleinen Augen, die mich anschauten und direkt in meine Seele blickten. Dieses kleine Wesen war weder gestresst noch erschöpft und suchte direkt die Brust. Er nuckelte und kuschelte mit mir. Es war einfach magisch und zauberhaft schön. Mit Abstand war das, das Schönste was ich je erleben durfte.

Der Notarzt traf dann auch ein und sagte, er müsse mich mit in die Klinik nehmen. Bis dahin waren wir immer noch verbunden und die Nabelschnur war schon auspulsiert. Ich spürte immer noch leichte Kontraktionen und war mir sicher das bald die Plazenta geboren werden würde. Ich fragte, ob wir noch ein wenig warten könnten, aber sie wollten uns sofort mitnehmen. Mein Mann durfte die Nabelschnur durchtrennen und ich zog mir schnell ein neues Nachthemd über. Erst jetzt bemerkte ich, wie viel Blut ich doch verloren hatte. Wir fuhren in die Klinik und ich war überaus schockiert, wieviel Missgunst und Abwertung uns vom Klinikpersonal entgegenkam, weil wir eine spontane Hausgeburt hatten. Statt uns zu loben, wurde uns nur verächtlich gesagt, wie viel Glück wir hätten das nichts passiert ist…
Von meiner Geburtsgeschichte wollte keiner etwas hören. Im Nachhinein bereue ich es sehr, dass wir den Rettungswagen gerufen hatten. Wir hätten lieber mal die Hebamme angerufen und diese intime Situation bewahrt. Durch den Blutverlust, hatte ich dann doch Kreislaufprobleme und wurde deshalb erst nach 24h Stunden coronakonform entlassen. Meinem Baby und mir ging es dann aber blendend. Ich hatte nicht eine Geburtsverletzung. Keinen Riss, keine Schürfung oder Quetschung. Vier Tage später ging ich mit unserem großem Sohn wippen. 

Unsere ungeplante Alleingeburt war einfach traumhaft und zeigte mir, dass mein Baby tatsächlich nur darauf gewartet hat, zu Hause geboren zu werden. Wahrscheinlich war dieser Gedanke in meinem Unterbewusstsein verankert und deshalb hatte ich zu keinem Zeitpunkt, das Bedürfnis los zu fahren. Bis heute bin ich überwältigt von mir selbst. Erstens, dass ich die Fähigkeit besitze auf meinen Körper zu vertrauen, den Kopf auszuschalten und einfach loszulassen. Die Geburt hat effektiv eine Stunde gedauert, einfach unglaublich. Zweitens diese unglaubliche Verbindung zu meinem Baby und dass wir miteinander kommunizieren konnten ohne zu sprechen oder uns zu sehen. Ich habe es geschafft, die Kontrolle abzugeben und wurde dafür mehr als reich beschenkt. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich meinen Mann liebe. Dieses Wunder hat uns noch enger zusammengeschweißt und das Schicksal hat uns wieder mal bewiesen, dass wir es verdient haben Eltern zu werden. Auch wenn die Natur dafür Hilfe braucht.

Ich danke von Herzen meiner lieben Mentorin, ohne die ich all diese Fähigkeiten nie erlernt hätte. Ich hoffe, sie kann noch vielen Frauen ihr unglaubliches Wissen und ihren Erfahrungsschatz weitergeben. Denn jede Frau hat es verdient, eine solch schöne Geburt zu erleben. Ich hoffe meine Geschichte kann euch inspirieren und auch wenn sie sehr lang geworden ist, so könnt ihr nun verstehen, welchen emotionalen Stellenwert diese Geburt für mich hat, wenn ihr die ganze Geschichte wisst. Und eins ist ganz sicher -es ist nicht egal wie wir geboren werden – deshalb wird die nächste Geburt auf jeden Fall wieder zu Hause stattfinden – aber diesmal geplant und mit Hebamme.

In Liebe Nadine, Chris, Jonathan und Noah

Text und Foto (c) Nadine G.

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