Alleingeburt im Caravan in Tschechien

Ein Geburtsbericht von Gastautorin Kaya:

Frühlingsgeburt im blühenden Garten

Vorab: Ich schreibe unglaublich gerne. Ich schreibe buchstäblich auch ganze Romane, also wundert euch bitte nicht, wenn dieser Geburtsbericht den Rahmen ein wenig sprengt und länger ist als vielleicht gewöhnlich. Vorab schonmal danke fürs Interesse und fürs Lesen und Teilen.

Es war Anfang August als ich feststellte, dass meine Tage aus „irgendwelchen“ Gründen nicht kamen und noch dazu eine bleierne Müdigkeit auf mich fiel. Konnte es denn sein…?

Obwohl wir uns beide eine Familie total wünschten, hatten wir uns entschlossen, noch ein Jahr damit zu warten.

Doch tatsächlich: nach zwei positiven Schwangerschaftsstreifen schien es immer plausibler. Da wir schon seit mehr als 3 Jahren mit Aufpassen und Zykluskennen „verhüteten“, waren wir gefühlt so eingespielt, dass wir dachten, so ein „Ausrutscher“ konnte doch nicht passiert sein. Hatten uns die Engel da einen Streich gespielt?

So ganz konnten wir es noch nicht begreifen, aber eine Veränderung war zu spüren. Projekte im Garten, –unserem zu Hause– wurden nun noch wichtiger und wir wussten manchmal nicht, wo die größte Priorität lag: Fließendes, warmes Wasser oder erst mal den Erdkeller fertigstellen für die Ernte? Auto selbst reparieren oder mehr arbeiten gehen, um solche Sachen machen zu lassen? Mein Partner war also voll konzentriert auf „Nest bauen“, tun und machen. Ich wollte gerne auch so viel Energie haben, doch manchmal fühlte ich mich so platt, dass ich nicht mal mein Yoga am Morgen schaffte. Ich stellte auch vieles bei meiner Ernährung um. Oft war mir schlecht und ich konnte meine üblichen Wildkräutersalate nicht mehr in Massen essen. Stattdessen griff ich sogar Mal zu Sauerteigbrot (Brot habe ich davor kaum noch gegessen), Erdnussbutter und viel, viel Obst. Auch Milchprodukte schlichen sich mehr und mehr in meine Ernährung, obwohl wir uns davor vorwiegend vegan ernährten. Noch dazu kam natürlich, dass ich ab September wieder in meinem Beruf als Sprachlehrerin viel in der Stadt war, und dort war es immer schon schwierig für mich gewesen, gut auf meinen Körper hören zu können und das Richtige zum Essen zu bekommen. Nun, diese Phase der Schwangerschaft war also nicht immer einfach für uns beide, und doch spürten wir auch die Freude über das was immer realer wurde: Wir werden Eltern.

Die Suche nach einer Hebamme war die nächste Schwierigkeit. Es war für uns beide von Anfang an klar, dass unser Baby bei uns zu Hause, also auf unserem Land, unserem Garten, zur Welt kommen darf. Wenn es auch die Engel erlauben und das Baby es auch so will, dann fanden wir, stand dem nichts im Wege. Und doch dachte ich: klar brauche ich eine Hebamme dafür. Das Problem war eine zu finden, die Hausgeburten mitmachen würde. Durch eine Freundin fand ich letztendlich einen Kontakt zu einer Hebamme, die etwas außerhalb der Stadt wohnte. Jedoch meinte diese Hebamme am Telefon, ich wohnte zu weit weg von ihr und lehnte mich ab. Das tat mir tatsächlich recht weh, einfach abgelehnt zu werden, ohne dass sie mich überhaupt getroffen hatte. Erst nachdem ich mich dann mit einer von ihren befreundeten Doula traf, bekam ich dann doch einen Termin. Dennoch ließ mich das Gefühl nicht los, dass diese Hebamme mich eigentlich gar nicht betreuen wollte.

Will ich jemanden bei der Geburt haben, die nicht wirklich dabei sein will? Da kam bei mir das erste Mal der Gedanke einer Alleingeburt zu mir. Ich kannte aber keine Frauen, die dies gemacht hatten und auch hatte ich noch nicht den Mut, mich mit diesem Gedanken weiter zu befassen. Ich war also noch auf der Suche.

Was mir in dieser Zeit sehr half, waren tatsächlich unsere zwei neuen jungen Kater, die wir uns wegen der Mäuseplage anschafften. Obwohl der Hauptgrund die Mäuse waren und das Argument, dass Katzen einfach gut zu einem Garten passen, wurde bald sehr viel mehr aus unserer Beziehung als nur „Nutztier“ und „Frauchen“ und „Herrchen“. Wir wurden eine Familie.

Die Kater wuchsen uns so ans Herz, dass wir sie nicht aufhören konnten zu bestaunen. Solche eleganten, natürlichen, instinktiven Wesen. Sie spürten, wann wir von der Stadt kamen, warteten schon auf uns, schnurrten, kuschelten, und jagten! Und wie sie jagten, pro Kater eine Maus am Tag, mindestens! Sie nahmen ihre Aufgabe sehr ernst. Doch ich bemerkte, dass das nicht die einzige Aufgabe war. Sie waren für uns da, um uns aufs Familienleben einzustellen, darauf, dass jemand im Garten da ist, der Wärme, Liebe und Zuneigung braucht. Wir scherzten oft, dass die zwei jungen, verspielten Kater uns für unsere kommende Elternrolle vorbereiten. Manchmal überlegte ich auch, ob es nicht die Kinderseele des Babys in meinem Bauch war, welche sich die Kater als Spielkameraden gewünscht hatte. Wer weiß, wer weiß.

In meiner Arbeitsstelle hatte sich derweilen herumgesprochen, dass ich eine Hausgeburt plante. Ich hatte es eigentlich nur Kollegen anvertrauen wollen, denen ich diese Information zutraute. Doch wie es nun mal an Schulen so läuft, wusste dann doch fast jeder davon und manche waren eher besorgt und fragten sehr verwundert nach. Das war nicht immer angenehm, aber ich hielt es auch für schlecht zu lügen oder mich da herauszureden. Ich stand zu meiner Meinung, dass dies der natürlichste und beste Weg für unsere Familie war. Andere Frauen dürfen es anders planen, aber unser Plan war nun mal die Hausgeburt. Und wir hatten natürlich trotzdem Plan B: das Krankenhaus war nur 30 Minuten entfernt.

Mit den verstreichenden Wochen spürte ich langsam einen gewissen Zeitdruck. Ich war so vertieft in schulische Themen und Projekte, dass plötzlich die Tage nur so verstrichen! Und ich hatte nicht nur keine Hebamme, sondern auch keinen Gynäkologen und wusste noch gar nicht, wie es dann klappen soll mit der Mutterschaft und all den bürokratischen Themen hier in der Tschechei. Ich war doch erst seit etwa 2 Jahren hergezogen… Und ich wollte nicht „irgendeinen“ Frauenarzt. Ich hatte genug schlechte Erfahrungen in meiner Jugend.

Doch die Engel waren auf unserer Seite. An der Heilquelle, an der wir immer unser Quellwasser zum Trinken holen, trafen wir ein sehr nettes Pärchen, das mit ihrem kleinen Sohn Wasser holen waren. Wir unterhielten uns nur kurz, und schon kamen wir zum Thema Baby und Geburt. Ich war natürlich super aufgeregt als die Frau mir erzählte, dass sie eine Hausgeburt hatte. Mit welcher Begleitung? Wie lief die Geburt? Und welche Frauenärztin hatte sie? Wusste die Frauenärztin um ihre Hausgeburt? Und so weiter… es war wirklich ein Geschenk diese Frau getroffen zu haben. Wir tauschten Kontakte aus und dann lief eins nach dem andern. Ich bekam einen Termin bei der empfohlenen Gynäkologin und recherchierte über die Doulas, die die Hausgeburt der Frau von der Quelle begleitet hatten. Keine Hebamme, „nur“ Doulas. War mir wirklich egal. Ich fand den Vorgeburts-Kurs der einen Doula und meldete mich an. Nun war ich entspannter. Alles schien wieder im Fluss zu sein.

Die Frauenärztin war wirklich supernett und ich bin bis heute dankbar, dass ich sie gefunden habe. Sie war zwar verwundert, dass wir „nur“ einen einzigen Ultraschall machen wollten und nur „nötigste“ Untersuchungen machen wollten, aber nahm alles sehr freundlich und respektvoll hin und ließ auch meinen Partner mit dabei sein, wenn es darum ging, solche Themen mit mir zu besprechen. Es tat gut, meinen Partner dabei zu haben, der sich nicht weniger für Geburt und unser Baby interessierte als ich. Ich konnte alles mit ihm teilen und er unterstützte mich während der Schwangerschaft wirklich hervorragend. An dieser Stelle schon mal Danke an diese tollen Seelen, die ich an meiner Seite haben durfte.

Den einen Ultraschall ließen wir dann in der mehr oder weniger 23. SSW machen und hofften, dass es das Baby nicht zu sehr beeinflusste. Wir fanden des nötige heraus (die Information, dass die Plazenta günstig lag, da diese Information für eine Hebamme und möglicherweise auch Doula Voraussetzung gewesen wäre), aber wollten nichts weiter wissen (also auch das Geschlecht wollten wir als Überraschung behalten).

Der Kurs bei der Doula in meiner Nähe war im November und wirklich fantastisch. Ich genoss diese sanfte, beruhigende Ausstrahlung der Frau und auch endlich unter anderen schwangeren Frauen zu sein. Der Austausch war echt toll und ich lernte viel neues über Geburt und Babys. Ich redete mit der Doula über die geplante Hausgeburt bei mir und sie war interessiert, mich darin zu unterstützen/zu begleiten. Sie machte solche Begleitungen immer nur zu zweit, also solle ich noch ihre Kollegin kontaktieren, dann könnten wir uns demnächst mal treffen.

In dieser Zeit war ich dann schon voller Zuversicht und spürte viel Liebe. Ich hatte auch schon die Babybewegungen im Bauch festgestellt, und das war ein großes Geschenk. Mein Bauch war zwar noch recht „klein“, zumindest den Kommentaren meiner Kolleginnen aus der Schule zufolge, aber ich wusste dem Baby ging es gut und es lebte und liebte und tanzte und streckte sich, dafür brauchte ich keine weiteren Ultraschalle oder einen dicken Bauch, damit es alle sehen. Ich spürte es einfach.Trotz hartem Wintereinbruch Ende November mit-15 Grad, hatten wir einiges geschafft und ich fühlte mich bereit endlich mehr nach „Innen“ zu gehen. Es war die richtige Entscheidung, an Weihnachten nicht extra nach Deutschland oder Mähren zu fahren, um Verwandtschaft zu besuchen, sondern einfach bei uns zu bleiben und stattdessen kurz Freunde aus der Gegend zu besuchen. Die Raunächte taten mir besonders gut, ich meditierte tagtäglich mit einer Kerze und schönen Mandalabildern zum Thema Geburt, die ich von der Doula in ihrem Kurs bekommen hatte.

Die Ferien verstrichen zu schnell, und im Januar sollte mein Freund und ich einen Monat getrennt leben, weil er im Ausland arbeiten gehen musste. Auf diesen Monat hatte ich mich schon viel vorbereitet: Ich hatte Autofahren geübt (ich war erst im Sommer neu mit meinem Führerschein und die Fahrpraxis fehlte mir) und mich mental darauf vorbereitet, selbst für mich und das Baby im Bauch zu sorgen, komme was wolle. Ein Winter im Garten hat so seine Tücken: man braucht Feuerholz, das ich selber nicht mehr hacken konnte, oder Briketts, die ich also in Mengen nachkaufte, aber nicht so einfach schleppen konnte. Ich brauchte Wasser, das ich mir von der Heilquelle mit dem Auto herfahren konnte, aber auch schleppen musste. Zum Glück hatte mich die Gynäkologin ab Januar schon auf eine „frühe“ Mutterschaft verschrieben, sodass ich nicht auch noch dazu in die Stadt pendeln musste, zum Arbeiten. Das war wirklich ein großes Geschenk!

Dieser Monat hatte dann doch noch einiges an Überraschungen bereit. Es gab schon wieder sehr tiefe Minusgrade, dann Schneeregen und Glatteis. Ich hatte das Glück, dass mich eine Freundin besuchte und so machten wir das beste aus der harten Woche, die vor uns lag. Wir mussten das Auto sogar unten im Dorf parken, da der Weg zum Garten absolut eingefroren war und nicht gestreut wird. Hier wieder ein riesen Danke an die Hilfe, die mir geschickt wurde! Ich danke meinem Schutzengel, der ein Auge auf uns geworfen hat in dieser Zeit.

Bald wurde der Januar milder, und es taute. Die Katzen gingen gerne auf Spaziergänge mit mir und ich fühlte mich in keinem Moment einsam, auch nicht als die Freundin wieder fuhr. Ich war deshalb überrascht, als der nächste Januar-streich gespielt wurde: mein Partner musste zurück, da er einen Sportunfall hatte, genäht wurde und sich eine Woche ausruhen musste.

Also waren wir erst mal wieder zu zweit und genossen den Winter. Die Engel hatten dafür gesorgt, dass die eigentlich harte Zeit so schnell verging und um mich gesorgt war.

Der frühe Frühling kam schon Ende Februar, beide Doulas hatten wir getroffen und die vom Kurs besuchte uns anschließend. Sie war begeistert von der Schönheit unseres Gartens und hat uns sehr viel Mut zugesprochen. Ich erzählte ihr ehrlich, was ich vorhatte, denn zu diesem Zeitpunkt hatte ich es schon recht klar: Ich wollte eine Alleingeburt mit meinem Partner versuchen. Wenn ich mir die Geburt vorstellte, waren es immer nur wir beide. Ich hatte sogar mal einen Traum gehabt – und da waren wir auch nur zu zweit!

Ich fühlte mich so einfach am wohlsten. Ich wollte es so versuchen und falls ich doch Hilfe bräuchte, würde ich anrufen. Falls es größere Komplikationen gäbe, würden wir ins Krankenhaus fahren, dafür hatte ich schon eine Notfalltasche inklusive Geburtsplan vorbereitet. Das war für die Doulas voll in Ordnung, sie hatten Telefonbereitschaft und würden bei Bedarf kommen und mich im Falle des Falles auch im Krankenhaus begleiten.

Buschwindröschenblüten waren bald überall im Garten, das Lungenkraut und auch unsere neu eingepflanzten Tulpen strahlten in bunten Farben. Mein Partner baute mir meinen Yogaplatz so auf, dass ich dort an Turnringen meinen Rücken und Unterkörper wunderbar aushängen konnte. Ich machte wieder viel Yoga, Streck- und Atemübungen, wir fuhren immer noch oft ins Hallenbad zum Schwimmen und Saunieren, und ich genoss die Schwangerschaft in dieser Zeit so richtig. Ich las auch das Buch „Die Wahrheit über Alleingeburten“ mit meinem Partner und es bekräftigte mich sehr in meinem Vorhaben. Es bereitete uns gut vor, da wir auch lesen konnten, welche Gründe es geben kann, eine Alleingeburt abzubrechen, dass zum Beispiel großer Blutverlust ein Problem sein kann und es natürlich in unserer Verantwortung liegt abzuschätzen, wann es „zu viel“ ist, wann man den Krankenwagen rufen sollte oder selber losfährt mit eigenem Auto. Wir wollten für alles vorbereitet sein.

Ich las auch sehr gerne Geburtsberichte auf der Website „Meisterin der Geburt“ durch oder hörte mir Berichte auf anderen Plattformen an. Was ich am meisten genoss, war es am Abend im Bett zu liegen und mir die eigene Traumgeburt vorzustellen.

Laut dem errechneten Termin war ich Ende März in der 38. SSW. Die Gynäkologin hatte meinen Bauch getastet und bestätigt, was ich schon fühlte und was auch die Doula ertastet hatte: das Baby ist in super Lage, Kopf unten und seitlich gedreht, die Beine strampeln fleißig nach oben. Ich spürte auch schon viel Ziepen und Ziehen und einmal hatte ich recht deutlich Senkwellen. Ich machte mir oft Dampfsitzbäder mit Teemischungen wie Lavendel, Rosmarin, massierte oft meinen Damm, und allgemein fühlte ich mich schon absolut vorbereitet: jetzt darf es losgehen, Baby, ich bin bereit!

Die folgenden Tage wurden heißer und heißer. Was für ein ungewöhnlicher März mit knapp 30°C! Wir gingen schon im Steinbruchsee baden und sonnten uns. Perfektes Wetter zum Baby bekommen, dachte ich mir. Da könnte ich draußen am Yogaplatz turnen, mich strecken und vielleicht sogar dort das Kind zur Welt bringen, unter den Bäumen bei Vogelgezwitscher. Was für eine schöne Vorstellung…

Am 31.März lag ich, wie so oft, draußen unter den Bäumen. Mein Partner kam zu mir, um mir etwas mitzuteilen. Da entdeckte ich es: einen Ring aus Gras geflochten auf meiner Yogamatte, wo eben noch alles leer war. Ich fragte meinen Partner, ob er ihn dorthin gelegt hatte. Nein. Der Ring war genau passend für meinen Ringfinger. Fein hergestellt aus getrocknetem Gras. Wer kann denn so etwas machen? Nach viel Überlegung waren mein Partner und ich uns einig: wir hatten Unterstützung von höheren Welten und ein Geschenk von den Naturwesen unseres Ortes erhalten.

Nun kam der 10.April, 40. SSW, laut Frauenärztin der errechnete Termin, aber von Terminen hielten mein Partner und ich nicht so viel. Und da ich mich kein bisschen anders fühlte als an den anderen Tagen zuvor (und schon jeden Tag davor dachte: „Jetzt könnte es kommen, jetzt könnte es so weit sein!“), wollte ich an dem Tag bloß nicht wieder falschen Alarm auslösen und hatte also nichts dagegen, dass mein Partner entschloss, heute in die Stadt zu fahren, um Erledigungen zu machen. Man schiebt sowas gerne auf und heute war der ideale Tag dafür, da es nass und kalt draußen war. Ich dachte mir dann: Ne, bei so einem kalten Wetter will mein Kind bestimmt noch warten. Lieber bei Sonnenschein oder wenigstens bei warmer Nacht raus in die Welt ziehen. Ich ging also mit den Katern spazieren und hatte einen schönen Tag, trotz kalt-nassem Wetter. Auch meiner Doula sagte ich, dass es noch nicht so aussieht, dass es passiert. Sie wollte heute telefonieren, aber gegen Abend sagte sie das Telefonat ab, da sie zu einer anderen Mama gerufen wurde: obwohl diese erst im Mai ihren errechneten Termin hat, schien es bei ihr heute schon loszugehen. Ich sagte, kein Problem, bei mir dauert es sicher noch paar Tage.

8 Uhr abends und ich spürte wieder das übliche abendliche Ziehen und ein paar Wellen. Nur Übungswellen, sagte ich mir. Ich machte mir also wie immer einen Topf warm für das Sitzdampfbad und zündete eine Kerze an. Interessanterweise wählte ich dann die rot-rosa gefärbte Geburtskerze, die ich von einer Freundin bekommen hatte. Ich legte auch ihre wunderschönen Karten aus, mit Bildern, die mehr sagten als tausend Worte: Verbundenheit mit Ahnen, Liebe zur Mutter Erde, blühende Lotusblume, unser Schoßraum usw…

Die Wellen wurden stärker und gegen halb zehn machte ich mir dann schon Gedanken… Ich schrieb also meinen Partner an, dass er sich jetzt doch nach Hause begeben sollte, wer weiß, ob es nicht doch losgeht. Er war schließlich immer noch in der Stadt, die eine Stunde von uns entfernt ist. Ich heizte schön ein, denn ich empfand die üblichen 25 Grad als kalt. Die Wellen wurden stärker und ich war mir nun sicher, dass es losgeht. Ich schrieb auch meiner Doula, aber diese schien nicht erreichbar zu sein. Egal, dachte ich. Wer dabei sein soll, wird dabei sein. Mein Partner kam bald an, Hände voll mit Einkaufstaschen und Quellwasser-flaschen. Er bot mir alles Mögliche zum Essen an, aber obwohl ich kein Abendessen hatte, wollte ich nichts essen, nur ein paar Schlückchen trinken. Er half mir mit Tee zubereiten und einheizen. Wir hatten 30 Grad bei uns im Wohnwagen und erst bei so einer Temperatur fühlte ich mich endlich wohl. So starke Wellen waren es nun, dass ich sie laut vertönen musste. Zischen und schnaufen half auch. Mein Partner räumte den Klapptisch aus dem Caravan und legte die Yogamatte aus, auf der ich herumturnen konnte, aber ich befand mich trotzdem lieber vor dem Ofen, weil ich die Wärme brauchte. Er zündete Kerzen draußen und drinnen an und die Atmosphäre war magisch, aber mein Fokus war der Atem. Ein – Aus. Sitzbad, herumlaufen, in die Hocke gehen, aufstehen, in Bewegung bleiben… Alles probierte ich aus. Es tat nun wirklich weh. Ich musste bei den Wehen auch schreien, oder mit dem Fuß stampfen. Ich versuchte meine Zähne nicht zusammenzubeißen, sondern einen offenen Mund zu haben. Das soll helfen sich auch unten zu öffnen, hatte ich gehört. Es schien ewig zu dauern. Einmal schaute ich auf die Uhr und es war Mitternacht. Wie lange soll das noch gehen?

Dabei wusste ich natürlich, dass vor allem bei Erstgeburten die Geburt sich über einige Stunden, oder sogar mehr als einen Tag dauern kann. Aber langsam wurde ich ungeduldig und hatte Gedanken wie: Es geht einfach nicht voran! Was mache ich falsch?

11.April – Mein Partner war hundemüde, er hatte einen langen Tag in der Stadt gehabt. Er legte sich kurz hin und döste sogar weg. Ich marschierte weiter auf und ab im Caravan, machte löwenartige Brülllaute wenn wieder eine Welle kam, und zwischen den Wellen machte ich mir Sitzbäder oder trank schluckweise Wasser. Es war faszinierend, wie ruhig und ohne Schmerz es zwischen den Wellen war und dann die nächste Welle wieder mit so einer Intensivität kam. So kontrastreich… Ich konnte zwischen den Wellen trotzdem nicht viel trinken und schon gar nichts essen. Es wollte eher alles raus! Durchfall hatte ich abends auch gehabt, also war ich schön leer. Das soll ja gut sein, für das Baby, damit es viel Platz hat zum Durchrutschen. Aber gerader war nichts mit durchrutschen. Ich fühlte unten auch kaum eine Öffnung. Sollte das die ganze Nacht durchgehen? Wie sollte ich das aushalten? Von meinem lauterwerdenden Gebrülle wachte mein Partner auch immer wieder auf und als es dann so heftig war, wollte er helfen und ich merkte auch, dass ich Hilfe brauchte. Drücken, massieren, Hautkontakt. Das half tatsächlich. Die Doula hatte uns auch die Massagegriffe gezeigt gehabt, die bei der ersten und dann der zweiten Phase der Geburt helfen sollen. Wir probierten sie also aus und tatsächlich war es hilfreich. Immer noch im Schmerz, aber ich spürte nun, dass es in die zweite Phase ging. Ich sagte meinem Partner er soll mich anders drücken – mehr an den Seiten und gegen meinen Po. Bei der nächsten Wehe spritzte auch etwas Fruchtwasser hinaus. Endlich, es ging voran!

Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich mich in den hinteren Teil des Caravans zurückzog und auf den Sitzen und der Yogamatte herumturnte. Einmal als mein Partner die Tür aufmachte, schlüpfte unser Kater hinein. Erst wollten wir ihn wieder hinaus verscheuchen, aber er war so ruhig und rollte sich in eine Ecke der Sitzgelegenheit, sodass ich ihn doch drin lassen wollte. Er beruhigte mich und ich streichelte ihn zwischen den Wellen. Bei meinem Schreien während den Wellen hob er kaum den Kopf. Es schien ihn gar nicht zu stören. Das faszinierte mich. Als wäre alles normal, ganz natürlich so. Ist es auch, dachte ich. Ganz natürliche Geburt ist das. Diese Gedanken schienen mir zu helfen. Ich ging wieder mal in die Hocke, auch wenn das höllisch wehtat, diese Position schien am meisten etwas voranzubringen. Tatsächlich: beim nächsten Mal als ich mich abtastete, spürte ich in mir etwas, das Haare hatte – das musste das Köpfchen sein! Das motivierte mich. Es wird nicht die ganze Nacht dauern. Wie die Doulas beschrieben haben, fühlte es sich auch bald so an, als müsste ich groß aufs Klo gehen. Zwei, drei Wellen später war das Köpfchen am Ausgang und ich rief meinen Partner her. „Siehst du es?“, fragte ich. Bei der nächsten Welle schob ich das Köpfchen schon bis zur Hälfte raus. Autsch, und da wartete ich auf die nächste Welle, so mega-weit geöffnet und alles brannte. Während der nächsten Welle, hielt ich vorne an der Scheide die Haut fest, da es dort am meisten spannte und das Köpfchen schlüpfte komplett heraus, und nichts war gerissen. Ich spürte es genau, dass ich heil war. Ich war erleichtert und mein Partner schaute fasziniert den Kleinen an, während ich Kraft für die nächste Welle sammelte. Da spürte ich hinten Bewegung. War das das Baby, das sich bewegte? Seinen Kopf drehte? Langsam drehten sich dann die Schultern heraus. Und mit einem Schwung Fruchtwasser und auch Blut kam der Kleine noch weiter raus. Mein Partner hielt ihn in seinen Händen. „Die Beine noch,“ informierte mich mein Partner, der den Kleinen hielt. Ich war immer noch im Vierfüßlerstand und sah deshalb nicht was da hinten los war. Ich konnte es nur erspüren. Ich wartete auf die nächste Welle. Ich spürte wieder Bewegung hinten. Diesmal war es der Atem des kleinen Babys. Wow. Es atmet. Das war unglaublich, dieses Gefühl, dieses atmende, lebendige Wesen noch ein wenig in mir drinnen und fast schon ganz draußen zu spüren. Dann kam auch der Rest raus und mein Partner hielt ihn in den Armen. Ja, ihn! Als ich mich umdrehte, sah ich die recht großen Hoden: es war ein Junge! Und ich hatte so lange gedacht, dass es ein Mädchen wird. Aber in dem Moment war es wie klar, – na klar, dachte ich mir, natürlich ist es ein Junge.

Und diese Augen! Es schien mir so, als würde er mich direkt mit diesen dunklen blauen Augen anschauen, als würde er mich voll wahrnehmen… Ich war heilfroh, und gleichzeitig noch so mit mir beschäftigt. Erst hier schaute mein Partner auf die Uhr: 4:34 morgens. Also ca. um 4:30 Uhr bei über 30 Grad kam unser Sohn auf die Welt!

Mein Partner wollte mir den Kleinen geben, aber die Nabelschnur war einmal um die Schulter des Kleinen und daher zu kurz. Mit einem Finger schob er die Schnur über den Kopf. Ich wollte unseren Kleinen nehmen, aber ich spürte, dass es noch nicht vorbei war. Alles tat noch so weh, alle Kanäle waren so weit geöffnet und eine weiter Welle bahnte sich an. „Die Plazenta kommt,“ sagte ich zu meinem Partner, bevor ich es selbst überhaupt begriffen hatte. Ich konnte den Kleinen nicht mal in die Arme nehmen, da wollte der Mutterkuchen auch schon wirklich raus. Ich hockte mich über eine Schüssel und schwupps war diese auch draußen. Wieder überkam mich ein Gefühl der Erleichterung, dass das so problemlos ging. Kein ewiges Blutverlieren und andere Geschichten. Alles lief gut! Und doch immer noch so schmerzhaft, ich wollte mich kaum vom Fleck rühren. Ich krabbelte also erst ins Bett und hier legte mir mein Partner dann unseren Sohn auf den Brustkorb., die Schüssel mit der Plazenta daneben ins Bett. Die Nabelschnur soll erst wenn sie getrocknet ist, getrennt werden. Saugen wollte der Kleine nicht wirklich, er wollte schlafen. Und so schlief mein Sohn zum ersten Mal außerhalb des Bauches ein, nun ein neuer Erdenbewohner. Auch mein Partner schlief, aber ich konnte nicht wirklich einschlafen. Ich war zu aufgeregt, musste den Kleinen immer wieder anschauen, um zu glauben, dass es nun wirklich passiert ist, dass wir es zusammen hinbekommen haben! Ich war unglaublich stolz, auf uns, als Team. Unser Sohn hat natürlich ganz viel gemacht, er steuert ja die Geburt, aber auch dass wir als Eltern dies geschafft haben, zu zweit. Da bin ich meinem Partner unglaublich dankbar, dass er da so mitgemacht hat, heißes Wasser gemacht hat, rumgeräumt hat, mich gehalten, gedrückt hat… einfach bei mir war.  Im Nachhinein eine wunderbare Geburt! Trotz kaltem Wetter draußen und den Schmerzen… es musste einfach so sein.

Unser Sohn war nun da, nicht nur im Bauch, sondern nun hier auf meinem Bauch, Haut auf Haut. Ich hatte auch oft –als ich mich zurechtdrehte– das Gefühl, als dürfte ich mich nicht zu weit vom Baby wegbewegen, weil ich das Gefühl hatte, ich wäre immer noch mit ihm verbunden durch unsere Nabelschnur! Dabei war die Plazenta schon draußen. Woher dieses Gefühl wohl kam? Es war ein magischer erster Morgen zusammen. Bis etwa 9 Uhr lagen wir da in unserem Familienbett und kuschelten im Halbschlaf.

P.S.: Eine weise Frau sagte mir danach: bei Regen und schlecht Wetter kommen die Kinder! Sie hatte wohl recht, denn genau in der Nacht gebaren noch zwei weitere Frauen, von denen ich weiß und dann bestimmt noch viele, von denen ich nicht weiß 😉

Text + Beitragsbilder © Kaya

Hier geht es zu Kayas Website: www.kaya-luchs.net


URTEIL

Ergänzend zum Thema Hausgeburt in Tschechien gab es jüngst ein Urteil des Verfassungsgerichts, welches den Hebammen endlich erlaubt, Frauen während einer Hausgeburt zu begleiten. Obwohl Hausgeburten nie verboten waren, durften Hebammen sie nicht anbieten, da ihnen hohe Bußgelder bis zu 40.000€ drohten. Das Verfassungsgericht erkannte nun die Absurdität dieser Praxis an. Die Richter verwiesen darauf, dass die Wahl des Ortes und der Umstände der Geburt unter den Schutz der geistigen und körperlichen Unversehrtheit der Frauen falle. Die Geburt sei ein „einzigartiger und sensibler Moment“ in ihrem Leben.

Hier geht es zum Urteil (in tschechisch): KLICK und den Erläuterungen: KLICK

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