Alleingeburt in der Dusche trotz grünem Fruchtwasser

Geburtsbericht von Gastautorin Juliane

Mein drittes Kind ist unterwegs und ich wünsche mir eine Alleingeburt. Bereits nach der traumatischen, schmerzhaften Saugglockengeburt (2014) meines ersten Kindes beschäftige ich mich mit dem Thema und lerne viel dazu, aber mir fehlt das Vertrauen in mich und das geeignete Plätzchen. Meine zweite Geburt (2015) wird eine spontane Geburt mit einer Beleghebamme, die ich sehr mag und die an mich glaubt. Die Krankenhausumgebung gibt mir etwas Sicherheit, aber ich fühle mich nicht ganz geborgen, sondern zu sehr verwaltet und irgendwie nicht ganz verstanden. Ich habe das Gefühl, dass das auch anders gehen muss. 5 Jahre vergehen. Meine dritte Schwangerschaft verläuft wieder komplikationsfrei und diesmal ohne Vorsorgewahnsinn, sondern nur mit Untersuchungen, die ich möchte. Bei der Frauenärztin stößt das auf Widerstand, aber ich bleibe bei meiner Entscheidung. Berichte von anderen Müttern über unglaublich übergriffiges Verhalten durch medizinisches Personal unter dem Deckmäntelchen der Gesundheitsvorsorge und neuerdings zum „Schutz vor Corona“ bedrücken mich und gegen Ende der Schwangerschaft wird für mich immer klarer, dass ich zu Hause eine natürliche Geburt mit meiner Familie und ohne Fremde mit deren Vorstellungen haben möchte. Ich fühle mich mit diesem Entschluss sehr sicher und bin absolut zuversichtlich und vertrauensvoll, ein schönes Gefühl. In meine Alleingeburtspläne weihe ich nur wenige Leute ein. Mein Mann, der leider nur die erste Geburt erlebt hat, fühlt sich mit meinen Plänen bis zuletzt nicht ganz wohl und hat Ängste, aber er vertraut mir und möchte mich unterstützen.

Bis zum ET habe ich ab und an „wilde Wehen“, aber es sieht nicht nach Geburt aus. Gedanklich stelle ich mich nun mehr und mehr auf das Ende der Schwangerschaft ein. Einen Tag nach ET machen wir einen Spaziergang im Wald. Aus dem kurzen Ausflug wird ein langer und anstrengender Marsch, da wir uns verlaufen und Mühe haben, wieder zurück zum Auto zu kommen. Anschließend steht noch ein Einkauf an, da zu Hause ein leerer Kühlschrank auf uns wartet. Am Abend sinke ich total entkräftet ins Bett und schlafe in der Nacht tief und fest.

Am nächsten Morgen (ET + 2) wache ich auf und höre in mich hinein… Ist irgendwas anders heute? Vielleicht, aber vielleicht auch nicht. Ich stelle mich auf einen gemütlichen Sonntag ein. Als ich dabei bin das Frühstück zuzubereiten, kurz nach 9:00 Uhr, macht es „Knack“ und das kommt definitiv aus meinem Bauch; irgendwo links oben gab es gleichzeitig auch einen Tritt. So ein Knacken habe ich noch nie gehört, aber ich vermute, dass gerade die Fruchtblase geplatzt ist und prüfe mit der Hand, ob ein Schwall Fruchtwasser kommt. Noch alles trocken. Ich gehe zur Toilette und dort kommt wenig leicht grünes Fruchtwasser getröpfelt. Ich habe keine Anzeichen einer Infektion und fühle mich frisch und ausgeschlafen. Vielleicht hat das Baby gestern bei dem stressigen Waldmarsch etwas Kacka gemacht… Ich entschließe mich, zu Hause zu bleiben und abzuwarten, wie sich die Geburt entwickelt. Und atme auch erleichtert auf: Eine Hausgeburt mit Hebamme hätte an diesem Punkt schon abgebrochen werden müssen.

Kurz danach wird es zu Hause etwas turbulent, weil wir eine Verabredung unseres großen Sohnes verpasst haben und seine Freunde ihn abholen, während ich mit meinen Gedanken ganz woanders bin. Gegen halb 10 ist nun endlich Ruhe eingekehrt. Mein Mann spielt mit meiner fünfjährigen Tochter im Wohnzimmer und ich bereite mir das Badezimmer vor. Bis zuletzt wollte ich mich nicht richtig festlegen, wo genau mein Baby zur Welt kommen soll, aber nun zieht es mich intuitiv in unser Bad. Wehen kommen etwa alle 8 Minuten und sind noch gut auszuhalten. Ich esse noch etwas Obst, trinke grünen Tee wie jeden Morgen und benachrichtige meine Freundinnen und meine Schwiegermutter, die in mein Vorhaben eingeweiht sind.

Gegen viertel vor 10 verbringe ich die erste Wehe in der warmen Wanne und merke, dass das doch nichts für mich ist. Aber Duschen könnte etwas sein. Ich verbringe mehrere Wehen in der Dusche, komme zwischendurch aus der Dusche heraus und stütze mich in unserem Minibadezimmer am Waschbecken ab und lehne mich über den Badewannenrand. Jetzt werden die Wehen heftiger und ich vertöne sie laut. Auf die Uhr schaue ich nicht mehr. Zwischen den Wehen trinke ich Mineralwasser und kühle meinen Kopf mit Händen voller Wasser. Der Boden des Badezimmers ist nass und ich verteile Handtücher auf dem Boden, damit ich nicht ausrutsche.

Als ich mich 2 mal ins Waschbecken übergeben muss, bin ich froh, bei der Übergangsphase angekommen zu sein und das gibt mir Mut und Zuversicht: Alles läuft, wie es sein soll.

Ich möchte wieder in die Dusche gehen. Kurzerhand schiebe ich dort in einer Wehenpause eine kleine Matratze hinein, die eigentlich vor der Wanne lag. In der Dusche fühle ich mich wohl, es ist schön warm, wenig Licht dringt ein und das Wasser aus dem Duschkopf tut mir sehr gut. In meiner Geburtsvorbereitung hatte ich mir die Pressphase schnell und unkompliziert vorgestellt, es brauchte in meinen Visualisierungen nur wenige Presswehen bis mein Baby da wäre. Aber nichts da. Die Pressphase wird sehr anstrengend und langwierig. In der Dusche habe ich im Wechsel gehockt, gekniet oder gestanden und mich meistens an der Duscharmatur festgehalten, ja richtig daran gehangen. Hoffentlich reißt das Ding nicht ab, denke ich zwischendurch. Irgendwann habe ich das Gefühl keinen Fortschritt zu machen und setze mir eine gedankliche Frist von 5 Wehen. Wenn das Köpfchen, das gut im Geburtskanal eingestellt ist, aber noch weit oben liegt, nicht innerhalb dieser 5 Presswehen spürbar nach unten kommt, müsste ich etwas ändern. Zum Beispiel eine andere Position einnehmen. So der Plan.

Dazu kommt es aber nicht mehr, da beim erneuten Tasten der Kopf ein ganzes Stück in die richtige Richtung gewandert ist. Ich bin erleichtert und mobilisiere, angespornt von diesem Erfolg, alle meine Kräfte. Für die letzte Etappe finde ich nur annähernd die richtigen Worte. Das letzte Pressen und das Ankommen unseres Babys war so unbeschreiblich. Ich lasse das kleine Köpfchen in meine Hände gleiten. Jetzt rufe ich doch meinen Mann, das soll er miterleben. Ich muss sehr laut rufen, denn er hört mich nicht gleich. Er kommt schließlich genau im richtigen Moment als der Körper geboren wird und nimmt das Baby in Empfang und gibt es mir in die Arme. Ich sehe nur mein Baby, was um mich herum passiert, weiß ich nicht mehr richtig. Als kein Schrei ertönt und sich das Baby nur kaum merklich rührt, sind wir wachsam, aber nicht ängstlich. Ich streichle es, massiere sanft und puste ins Gesicht. Ganz zaghaft kommen die ersten Atemzüge und ich bin überwältigt von meinen Gefühlen, der Freude, der Erschöpfung, der Dankbarkeit und beginne zu weinen. Mein Mann macht Bilder und ein erstes Video, das ich mir später unzählige Male ansehen werde. Erst jetzt schauen wir zwischen die kleinen Beinchen. Es ist ein Mädchen.

Ein Mädchen, mit Resten grünem Fruchtwassers im Gesicht

Obwohl ich geplant hatte, die Nabelschnur auspulsieren zu lassen, bitte ich meinen Mann doch eher, sie durchzuschneiden, da ich noch eingezwängt in unserer 80x80cm Duschtasse sitze und das Baby dummerweise von hinten zu mir genommen habe. Ich kann so weder aufstehen noch sonst eine andere Haltung annehmen. Das Abbinden der Nabelschnur ist für meinen Mann eine glitschige Angelegenheit und er ist etwas überfordert. Ich weise ihn schließlich an einfach durchzuschneiden, was natürlich, wenn die Nabelschnur nicht auspulsiert ist, nicht gut ist. Aber soweit denke ich in diesem Moment nicht. Wir haben Glück, die Nabelschnur war annähernd komplett auspulsiert.

Mein Mann nimmt das Baby an sich und wäscht es ein bisschen. Als ich aus der Dusche aufstehe, merke ich, dass ich Kreislaufprobleme habe. Der Blutverlust hält sich in Grenzen, ich vermute, mir fehlt einfach etwas zu Essen und zu trinken, denn mein Frühstück kam ja vorhin wieder raus.

Gewaschen, mit etwas Glitsch im Ohr

Ich lege mich kurz mit meinem Mädchen ins Bett, esse eine Banane und trinke ein großes Glas Saftschorle. Nach ca. 10 Minuten will die Plazenta raus. Ich setze mich in die Wanne, die Plazenta wird problemlos geboren und ist vollständig. Zur Sicherheit fotografieren wir sie von beiden Seiten. Ich dusche nochmal und ziehe mich an. Den Rest des Tages verbringen wir zusammen gemütlich auf der Couch. Mein Mann putzt und schmeißt eine Waschmaschine an. Niemand stört, es ist wunderbar intim.

Am dritten Lebenstag meiner Tochter haben wir einen Termin für die (in unserem Bundesland verpflichtende) U2 beim Kinderarzt und unsere erste unschöne Erfahrung. Während die junge Kinderärztin in der Gemeinschaftspraxis offen und vorurteilsfrei mit mir über meine Geburt spricht, kommt ihr älterer Kollege mit hochgezogenen Augenbrauen auf uns zu, wahrscheinlich um sich auch ein Bild von dieser unsäglichen Sache zu machen. Er will offensichtlich kein Gespräch, sondern mich belehren und meine Kompetenz infrage stellen. Was ich eigentlich beruflich mache und wie ich zu der Meinung komme, „sowas“ selber zu machen, fragt er. Das waren natürlich nur Angriffe, wirklich etwas von uns erfahren wollte er selbstverständlich nicht. Nach dem Besuch bin ich traurig und irgendwie kraftlos und ärgere mich noch lange über so viel Arroganz. Später werde ich vom Praxisteam noch zu zwei „Kontrolluntersuchungen“ genötigt, um „Gewicht und Entwicklung zu kontrollieren“. Ich spreche deshalb von Nötigung, da mir mehr oder weniger deutlich klargemacht wurde, dass die Praxis sich verpflichtet sehe, bei „dieser Geschichte“ besonders aufmerksam zu sein und dass man ja „auch eine Verantwortung für das Kind habe“ und bei Weigerung meinerseits sicher nicht davor zurück gescheut wäre andere Instanzen einzuschalten. Ich habe von zu vielen übereifrigen Beamten und Medizinern und schrecklichen Erfahrungen gehört, als dass ich mich traue nicht zu kooperieren. Mit dem U-Heft läuft schlussendlich auch die Anmeldung in unserer kleinen Gemeinde reibungslos.

Unsere Tochter ist mittlerweile fast 4 Monate alt. Ich bin sehr froh darüber, dass wir gemeinsam so einen wunderbaren Start in unser Leben als 5-köpfige Familie erleben konnten und erinnere mich sehr gern an die Geburt. Meinen beiden Töchtern möchte ich diese positive Geburtserfahrung mit auf den Weg geben, damit sie einmal voller Zuversicht ihre Schwangerschaften und Geburten gestalten können.

Vielen Dank an alle Frauen, die sich für eine selbstbestimmte Mutterschaft engagieren und ihre Erfahrungen hier geteilt haben. Ihr habt mich sehr inspiriert und mir Mut geschenkt.

Juliane

Text+Fotos © Juliane

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