Zauber der Nacht – Freie Geburt im Badezimmer

Schilderung der freien, selbstbestimmten und schmerzlosen Geburt meines Sohnes M. im Juli 2023

Ich bekam mit 29 Jahren mein erstes Kind mutterseelenallein und in aller Stille des Nachts im häuslichen Badezimmer. Es war so gewollt. Es hat nicht weh getan.

Ich denke immer wieder gerne an diese schönen Momente der Selbstermächtigung und der Naturerfahrung zurück, die mir meinen ausgeglichenen, ersten Sohn geschenkt haben. Zum Teil war ich so stolz und erfüllt, dass ich gleich wieder ein Kind zur Welt bringen wollte. 

Vorwort: Kebekus und Co. rauben mir den letzten Nerv – Gedanken


Vor ein paar Wochen habe ich, während ich bei meinen Eltern im Wohnzimmer saß, wieder einmal zu einer Apothekenzeitschrift gegriffen. Witzigerweise ging es in diesem Familienableger der „Rentnerbravo“ um Geburten und welche Gedanken junge Frauen davor begleiten und wie sie mit den Gedanken umgehen könnten. Eine Frage und Zwischenüberschrift des Artikels war die ganz selbstverständliche Frage:  „Halte ich die Schmerzen aus?“ 
Jetzt, da meine eigene Geburt bzw. die meines Sohnes M. monatelang zurück liegt, kann ich darüber nur lachen oder weinen. Im ersten Moment war mir sogar eher nach letzterem zumute: in welcher Gesellschaft leben wir? Sicher hatte ich vor der Geburt tatsächlich auch immer wieder starke Ängste, die sich vor allem um den Schmerz drehten, aber sie waren ohne Substanz! Das heißt: wenn alle Welt vom Schmerz spricht, dann erwartet man ihn auch. Man geht davon aus, dass es ohne nicht geht, aber dass es wahrscheinlich irgendwie auszuhalten sein wird (muss). 
So wird es uns suggeriert. Das ist der Konsens. Blödsinn! Es ist nichts weiter, als wenn man ein Ziehen im Bauch von den Tagen hat und dann wegen Verstopfung eine Zeitlang auf der Toilette hockt.

Eine Verstopfung ist nicht wirklich schön, aber auch nicht mega schmerzhaft. Wobei ich schon Verstopfungen erlebt habe, die nervtötender und um Welten unangenehmer waren als die Geburt meines Kleinen.  Aber überall, wo man steht und geht, wird man mit schmerzhaften Vorstellungen und dem Quälen -was Geburten angeht-, konfrontiert. In Film und Fernsehen schreien die Frauen herum, als würde ihnen ohne Narkose ein Bein amputiert. Ich will hier niemanden gering erachten und möchte jede Frau wertschätzen, auch weil ich selbst manchmal schon in anderen Situationen übertrieben rumschrie und es mir irgendwie half. Aber ich tat es dann aus Angst und um mich abzulenken oder abzureagieren und eben nicht bei der Geburt meines Sohnes, die bar negativer Emotionen war. Alle Theorien, die ich diesbezüglich in der alternativen Literatur, z.B. bei Jobina Schenk gelesen habe, stimmen also! Angst und Unsicherheit, wenn ich nicht selbst Herrin über das Geschehen bin, führen zu solch verzweifelten Schreitiraden. Aber das ist bei einer im Inneren reflektierten, selbst beobachtenden, in sich versunkenen Geburt unter eigener Leitung nicht nötig.
Das allgemein negative Bild von Geburten setzt sich sogar in der Comedy fort. Komikerin Carolin Kebekus kaut auf der Bühne die immer gleichen demotivierenden Theorien wider: „Wir pressen tendenziell zu große Kinder durch zu kleine Becken“. Genau der gleiche Satz bei MaiThink X und Co.) und „die Tiere haben es ja viel leichter und es sollte bei uns auch so easy-peasy sein“. Und „die böse Natur nimmt spielend in Kauf, dass die meisten von uns ohne fremde Hilfe hops gehen würden“. 

Das antworte ich darauf: Ich möchte keine Elefantenkuh sein, die von den anderen Kühen abgeschirmt werden muss, um ihm Schmerz das Neugeborene nicht zu verletzten (so las ich einmal). Denn auch viele Tierarten haben es (angeblich) bei der Geburt ganz und gar nicht leicht. Aber hier und da kommen auf ganz wenige unangenehme Szenen viele unkomplizierte Geburten. Wir sind so nah mit den Affen verwandt, die es auch können, dass wir ohne einfache Geburten längst ausgestorben wären (bei den ganzen Kriegen und Kindsmorden in der Geschichte). Was leicht geht, kann man möglicherweise auch leicht entbehren. Vielleicht reden wir uns deshalb ein, dass es schwer gehen MUSS, um uns die wertvollen Kinder quasi erst zu verdienen und so auch eine Status als heldenhafte Mutter zu waren. Bestimmt haben sich diese Theorie irgendwelche alten Männer ausgedacht, denn wir brauchen nichts davon. Wir sind Göttinnen! Wir haben die Gewalt über das Leben! Wir haben die Macht, die Männer nicht haben! Eigentlich hätte eine Mutter in der Antike über Leben und Tod an den Felsen von Sparta entscheiden müssen, aber das Patriachat hat ihr die Macht weggenommen und eine Frau ohne Vertrauen in die eigene Kraft bekommt nun einmal auch bei einer Geburt schneller Angst (außerdem waren das damals unerfahrene, junge Mädchen!). Es ist nur eine Hypothese, aber ich kann es mir durchaus vorstellen, dass die meisten Gesellschaften die Macht der Frauen, ihre unheimliche Macht über das Leben, es gleichsam zu erschaffen und zu zerstören, gebrochen haben, um dem Mann auch in diesem Bereich die Kontrolle zu übergeben. Was hat das mit uns heute zu tun? Nicht viel, außer, dass wir uns von alten, beängstigenden Vorstellungen befreien sollen, um die Leichtigkeit des Gebärens (ein Wort, das ich zuvor hasste) zu genießen! 

Ist es nicht merkwürdig, dass es kaum eine schmerzfreie Geburt geben soll? Wie viele Frauen haben sie erlebt, aber schreiben nicht darüber? Wie viele könnten in fremden Sprachen und auf anderen Kontinenten davon berichten? Eine Geburt ist ein Naturereignis, im wahrsten Sinne des Wortes, der Körper schuf ein Wunder, das er nun ebenso kraftvoll ans Licht befördert. Aber Schmerz? Nein. Mit Schmerz im engeren Sinne hat das nichts zu tun. Es ist unbekanntes Neuland, das kann Angst bereiten kann, weil man es noch nie betreten hat, aber dieses neue Land ist voller Naturschauspiele, die einfach so nach ihrem eigenen Gang ablaufen. 
Ich finde, dass man vor einer Geburt Respekt haben sollte, aber keine Angst. Es ist wie bei einem guten Lehrer: er hat Autorität und ich respektiere sein Wort, aber Angst brauche ich vor ihm nicht zum haben, denn es ist nur sein Beruf, Ordnung herzustellen und uns etwas zu lehren. Auch mein Körper hat mich etwas gelehrt, nämlich, dass ich Teil eines Naturwunders bin, das kraftvoll und stark ist, aber das mich auch mit meinem ganzen Stolz zurück lässt. Dass ist es erleben, dass ich dabei sein durfte und dass ich in dieser Rücksichtnahme meines Körpers keine Angst und keinen Schmerz gefühlt habe. Ich habe zwischen meinen Schamlippen den harten Kopf meines Kindes ertastet. Was für ein Gefühl! Wahnsinn! Welche Macht hat mir die Natur gegeben? Dass ich es bin, die Leben hervorbringt! Was für ein erhebendes Gefühl! Seltsam vielleicht, unheimlich, nicht alltäglich eben, aber unglaublich elektrisierend! Ich kann alles, ich schaffe alles, wenn ich DAS kann!  

Schwangerschaft und Vorbereitung

Aufgrund meiner vielfältigen Geburtsschmerzängste, die oft so groß waren, dass ich weinen musste und es mir die Luft abschnürte, bereitete ich mich intensiv auf die Geburt vor. Ich hatte mir vorgenommen, alle Kräuter und alternativen Tipps der Welt zu befolgen, wenn die entsprechenden Wochen gekommen seien. In Wirklichkeit habe ich jedoch, vielleicht vergleichbar mit einer Art Lähmungszustand, nichts Besonderes umgesetzt. Insgeheim war es mir doch zu blöd und wahrscheinlich hat meine Intuition mir bereits geflüstert, dass es den ganzen Budenzauber nicht braucht, sondern ich auch mit weniger eine glückliche Geburt haben werde. Auch keine Diät und Ähnliches, was mehr Verdruss bringt und keinen Spaß macht, habe ich umgesetzt. Frei nach der Devise: nur eine glückliche Mutter ist eine gute Mutter! Dennoch hatte ich einiges vorbereitet, auch für eine Wassergeburt, die ich für schmerzlindernd hielt (aber auch davon kam fast nichts zur Anwendung, obwohl ich eigentlich nach der Badewanne in den Pool stiegen wollte, aber zu dem Zeitpunkt spürte ich ja gar nichts mehr):
Erste Bestellungen bei Amazon waren die Bücher (zwei Monate vor dem Ende der Schwangerschaft), namentlich die Klassiker der alternativen und freien Geburten (Sarah Schmid: „Alleingeburt“, Jobina Schenk: „Meisterin der Geburt“, Marie F. Mongan: „HypnoBirthing“ (inklusive CD, das finde ich wichtig!), Anita Evensen: „Die geplante Alleingeburt“). 


Ich dachte: Das Beste vom Besten ist gerade gut genug und ich werde es eh nicht schaffen, alle Bücher der Welt bis zum Ende der Schwangerschaft zu verschlingen. Daher diese kleine, aber feine, wenn auch anfangs sehr unkritische Auswahl. Ganz nach dem Motto: Wird schon was dran sein! 


Der nächste Schwung Bestellungen betraf dann das Equipment: aufblasbarer, hoher (Kinder-)Pool mit Fassungsvermögen 510 Liter (den ich nach meiner Internetrecherche aussuchte), neuer Gartenschlauch und Ventil für den Badwannenanschluss dazu, um keine Eimer schleppen zu müssen (zumindest nicht beim Einlassen). Außerdem eine entsprechende Menge Totes-Meer-Badesalz (ich habe eine günstige Variante gefunden und entsprechend auf der Wassermenge die benötigte Tütenmenge umgerechnet).  Zudem besorgte ich ein kaum gebrauchtes Tens-Gerät von einer anderen jungen Mutter aus dem Internet, die es nicht benutzt hatte. Ich wollte einfach alles da haben, was helfen könnte. Und ich legte meine Kräuter, wie z.B. Frauenmantel, bereit, die ich eh schon daheim hatte. Immer, wenn ich am Anfang meiner Tage ein unangenehmes Ziehen spürte, nahm ich Frauenmantel, meist mit Schafgabe, und innerhalb von einer Stunde war das Ziehen weg und kam auch nicht mehr wieder. Typische Menstruationskräuter gegen die Verkrampfung der Gebärmutter lagen also aus eigener Testung und Erfahrung bereit. Oft wird geraten, den Frauenmantel schon Wochen vor der Geburt immer wieder einzunehmen, aber das unterließ ich. Erstens war ich wieder einmal zu faul und wollte mich zu nichts drängen, andererseits nahm ich an, dass die Toleranz bei regelmäßiger Gewohnheit zu hoch werden könnte. Oftmals werden ja auch Pausen in der Langzeitmedikation mit Naturheilmittel angeraten, damit der Körper die Möglichkeit hat, sich wieder einzuspielen und die benötigten Mengen nicht immer höher werden.

Zwar erstellte und pflegte ich regelmäßige eine Linkliste mit Tipps zur Geburt, zu allen möglichen Themen „drumherum“ und was alles helfen könnte (Diäten, Naturmittel…), doch wie bereits angedeutet, setzte ich vor der Geburt dann doch nichts davon um. 

Dann nahm ich einen kleinen Reisekoffer und packte alles ein, was ich im Fall der Fälle brauchen könnte, also auch eine Lavendelbademischung, alte Handtücher, Voltaren (darf man letztendlich nicht anwenden wegen der Inhaltsstoffe) und von den oben genannten Sachen. So hatte ich alle kleinen Dinge an einem Ort. Den Koffer stellte ich in meinen Kleiderschrank im Schlafzimmer, immer bereit. Laugensalzstangen und eine kleine Flasche Wasser waren auch dabei. Auf die Idee brachten mich ein oder zwei Youtube-Videos von Mariarafa, die es mit ca. 20 Jahren auch schon alleine durchgezogen hatte. (Außerdem sah ich noch das Geburtsvideo von ink harmony/Amy in harmony an, mehr jedoch nicht, denn ich wollte mich auf das Positive konzentrieren, wie andere es alleine geschafft haben). 


Der offizielle Ablauf der Schwangerschaft, wie er im Mutterpass stehen würde – und warum bei mir fast nichts im Mutterpass stand:

Meine Tage blieben aus. Zwei Schwangerschaftstests bestätigen es. Es meinem Freund gesagt, sonst sollte es erst einmal niemand wissen (bis Weihnachten). Und dann ging sie auch schon los: die wahnsinnig erheiternde Suche nach einer Hausgeburtshebamme! Ich wollte auf keinen Fall ins Krankenhaus. Es ist für mich ein Ort für Kranke! (Meine Großmutter trieb es sogar auf die Spitze und meinte, als sie noch lebte, dass viele ins Krankenhaus hineingehen, aber nur die Wenigsten lebendig wieder herauskommen.) 
Es ist ein Witz, dass man auf einer Webseite mühsam nach Hebammen in der Umgebung suchen soll, diese dann einzeln kontaktieren und warten muss, wie eine Absage nach der anderen eintrudelt. Warum geht das nicht direkt über die Webseite? Wie ein Match? Aber alle Nachrichten den Hebammen! Von guten Wünschen und Freundlichkeit bis überheblichen Zurechtweisungen, warum ich sie zusammen mit einer anderen Dame in einer Mail (versehentlich!) angeschrieben habe, war alles dabei. Und so verringerte sich die Auswahl trotz relativ frühen Suchbeginns zusehends. Am Schluss blieb dann eigentlich nur noch eine, immerhin ausgewiesene Hausgeburtshebamme, übrig. Diese schrieb auch gleich sehr interessiert zurück und fragte nach einem Termin und ich dachte: es passt. Also sagte ich zu – und schon war die Schwangerschaft nicht mehr so ungestört wie vorher! Sie rief mich zu ungünstigen Zeiten an, um meine Versicherungsnummer und andere Daten einzugeben und ich dachte, dass es dann erstmal erledigt sei, aber dann drängte sie schnell auf das erste Treffen. Mir war es irgendwie nicht recht, ich fühle mich in die Enge getrieben; ich weiß auch nicht warum. Am Telefon kam sie mir so dominant vor (in natura aber weniger). Aber noch glaubte ich, dass alles gut sei und fuhr mit meinem Freund zu ihr. Sie erfragte meine Krankenvorgeschichte und die Anamnese meiner Familie ohne jedoch viel mehr persönliches hören oder eintragen zu wollen und füllte so das Heftchen. Ich war damals in einer schwierigen Situation, da mein Onkel schwer an Krebs erkrankt war und ich ihn wenige Wochen nach dem Schwangerschaftstest noch sah, woraufhin er dann starb. Außerdem fühlte ich mich aufgrund der Hormonumstellung eh dröge und unsicher. Im Nachhinein dachte ich: die Hebamme hätte auch sagen können, dass sie möglichst wenig eintragen will, weil es sonst irgendwann gegen eine Hausgeburt sprechen könnte. Stattdessen wurde der zu hohe Altersblutdruck meines 73 Jahre alten Vaters eingetragen. Sehr wichtig! Meine Psyche, meine Ängste interessierten mich im Moment mehr. Und ich fand: das kam zu kurz. Dann gab es einen Ablaufplan, in welcher Woche das Kind wie alt ist und was man da für Untersuchungen machen könnte. Ich verstand das alles nur als Vorschlag, Ultraschalltermine okay, das verstand ich noch als sinnvoller, mal sehen, ob ich meine Kritik daran überwinden konnte, aber Anmeldung in der Klinik und Co? Keine Ahnung, das solle man alles trotzdem zur Sicherheit machen. Und irgendwelche Untersuchungen… für mich war alles ein „könnte“. Sie wollte Blut abnehmen, aber es gab noch eine weitere Abnahme auf ihrem Zettel und so überredete sie mein Freund nur eine einzige zu machen, weil ich etwas Angst vor Spritzen habe. Dennoch zögerte ich es heraus. Lieber später oder nächstes Mal. Dann ging es zur Liege, wo ich meinen Bauch frei machen sollte. Mit einem kleinen Elektrogerät – leider kein strahlenfreies Hörrohr, aber ich stimmte zu – hörte sie es ab. Man muss dazu sagen, dass ich noch in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft war. Aber nach äußerem Anschein war alles okay und dann hörte sie – nichts! Mir waren irgendwelche Sentimentalitäten ganz egal, ich wollte nichts süßes und herzerweichendes von meinem Kind hören, ich wollte einfach nur mit einem guten Gefühl nach Hause gehen. Und nun war es ein einziger Albtraum! Immer wieder wollte ich aufatmen, als wir ein Rauschen hörten, und immer wieder war es meine Aorta. Da meinte sie, dass es vorkommen könne, dass das Kind tot sei. Ich schluchzte hemmungslos drauf los. Mein Freund umarmte mich, sie streichelte über meinen Rücken und sah mich mitleidig an. Da war mir alles egal, sogar die Blutabnahme wäre nun sehr einfach gewesen. Mit Bestimmtheit könnte es nur ein Ultraschall feststellen und da ich keinen Frauenarzt hatte –  meine Hebamme selbst hatte ja bei dem Gespräch richtigerweise betont, dass die Hebamme fast alles allein machen kann bis auf den Ultraschall –  sollten wir zur Klinik in der gleichen Stadt fahren. Wer legt sich da noch ruhig ins Bett und wartet ab? Natürlich wollte ich es sofort wissen, also machten wir uns auf den Weg. Die Hebamme rief netterweise für mich dort an und wollte, dass wir ihr später per SMS Bescheid geben. Und so begann der Horrorweg voll dunkler Gedanken und Selbstvorwürfe, aber wohl auch Unverständnis. Erst mussten wir ins teure Parkhaus, dann einen Coronatest machen und auf das Ergebnis warten, dann in der Klinik wieder neben dem Kreißsaal warten, wo durch die Wände Gestöhne und gedehnte Laute zu hören waren. Wäre ich nicht so entsetzt und in Gedanken gewesen, ich wäre schier durchgedreht. Ich fragte gerade etwas außerhalb des Wartezimmers an der Anmeldung, da ging die automatische Tür auf und die nächste Frau schlurfte herein, mit riesigen Kopfhörern und in Jogginghosen mit verdrehten Beinen; der Anhang und die Mutter folgten. Zwischendurch verlangsamte die Frau ihnen Gang oder blieb stehen, um wie am Spieß zu schreien oder zu stöhnen. Wieder einmal bestätigte es mir die These, wie unwohl ich mich im Krankenhaus, trotz der hellen Zimmer, gefühlt hätte und immer noch fühle. Andere verunsicherte Frauen neben mir zu ertragen, erschien mir einfach unmöglich. Endlich kamen wir in ein Zimmer zum Ultraschall und die Erleichterung war riesig, als das Kind zu sehen war. Mein Freund forderte gleich gutgelaunt seinen Abzug ein. Zum Glück! Konsens war natürlich, dass ich unbedingt einen Frauenarzt bräuchte und mir einen suchen sollte. Ich dachte nur: Ich hab’s und ab. Ich schrieb die SMS an die Hebamme, die aber meinte, wir sollten nochmals vorbeikommen. Inzwischen hatten wir schon Stunden ohne Essen hinter uns, waren ausgehungert und müde und wollten nur noch heim. Stattdessen fuhren wir noch zu einer kurzen Unterredung mit ihr. Leider gibt es das Wort „kurz“ bei Hebammen offenbar nicht. Aber ich war bester Laune, trotzdem hatte ich kein Interesse an weiteren Untersuchungen und wir traten nach einer Dreiviertelstunde abends endlich den Heimweg an und holten uns unterwegs die verdiente Mahlzeit, von einem Dönerstand auf dem Weg, den uns die Hebamme empfohlen hatte. Im Nachhinein frage ich mich, ob der bloße Stress und all die Vorwürfe wirklich nötig und gesund gewesen waren. Die Woche war zu früh, das Kind hatte sich versteckt bzw. lang ungünstig für ihr Minigerät. Nun war es mit ihr aufgeklärt. Ja, aber warum sollte man dann so früh einen Termin machen. Fürs Kennenlernen? Ich glaube, im Nachhinein hat dieses Gefühl der Angst mein kleines, erstes und zartes Vertrauen in die Hebamme grundlegend erschüttert. 


Letztlich drängte die Hebamme in meiner Erinnerung immer auf die Termine nach Plan und meinem Freund machte es Spaß, überall dabei zu sein. Dann sollten wir auch noch eine junge Hebamme kennenlernen, die bei der Geburt dabei sein sollte. Nun begriff ich erst, dass da nix mit romantischer Ruhe und Privatsphäre zu machen war; die zweite musste ja dabei sein und bei der Geburt den Bericht schreiben, den man dann später durchsprechen kann. Ich weiß, dass es für traumatisierte Frauen sehr wichtig sein kann, eine Besprechung zu erhalten. Außerdem schlug die Hebamme mir vor, den Bericht meiner eigenen Geburt aus dem örtlichen Krankenhaus zu lesen und anzufordern. Aber wollte ich das wirklich? Erst wollte ich nicht einmal den Bericht von meiner eigenen Geburt anfordern, dann fand ich die Chance ein gutes Jahr vor meinem Dreißigsten günstig, um mich zu wappnen und Infos zu überprüfen, da meine Mutter immer gesagt hatte, dass alles normal und unkompliziert abgelaufen war. Die Anforderung machte ich aber erst später und es dauerte ja auch bis der Bericht da war. Ich bin froh, dass ich es gemacht habe, aber man muss es ein paar Mal lesen und setzen lassen, da selbst bei einer völlig unkompliziert Geburt ständig an den armen Müttern herumgefummelt wird: Muttermundmessen alle paar Stunden und das gehört da eben zur Dokumentation. Dabei finde ich es so abstoßend und entwürdigend, dass dauernd jemand (immerhin ein bis zwei Hebammen je Schicht) ihren Finger irgendwo reinstecken. Jedenfalls sagte mir der Gedanke mit zwei Hebammen, die dann bei der Geburt meines Kindes dabei wären und zusähen überhaupt nicht zu,  und dann will man sie ja auch mögen und kennenlernen. Ein andermal waren wir dann bei der jungen Hebamme, es war so ziemlich das letzte Mal, dass ich in der Hebammenpraxis war. Letztlich machte sie mir unmissverständlich klar, dass dieser Plan, den ich mit den Untersuchungen bekommen hatte, keine Vorschlagsliste war, sondern dass ich Punkte davon abarbeiten musste, um eine Hausgeburtshebamme zu bekommen: ein Ultraschall muss sein und eine Blutabnahme… So in die Enge getrieben, war meine Kooperationsbereitschaft am Ende. Ich hatte doch einen Ultraschall, meinte ich, natürlich zu früh und nicht in der passenden Woche, sagte sie prompt, es gehe um die Organe, da es ja bestimmt einen Herzfehler gibt und denn ist keine Hausgeburt mehr möglich, usw. Ich hatte die Nase voll. Wenn ich eh keine zwei verängstigten Hebammen dabei haben will, brauche ich den Schmarrn auch nicht machen. Ich hatte jetzt eine ganze Liste, was mich an dieser halsstarrigen Herangehensweise dieser Hebammen störte: Erstens hatten sie mir mit dem ersten Treffen und der Nachricht des vermutlich toten Kindes schon genug Kummer und Schock bereitet, zweitens erkannten sie in ihrer hohlen Vorgehensweise auch nicht meine Dokumente an, die ich extra mitgebracht hatte. Sie wollten die Blutgruppe bestimmen, obwohl ich mir schon vor Jahren einen Blutgruppenausweis von einem Labor hatte anfertigen lassen. Dann wollten sie die Röteln überprüfen, obwohl sie meinen Impfausweis keines Blickes würdigten (die Erklärung fand ich später erst selbst heraus). Außerdem hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits drei Tage Krankenhaus und einen Bluttest beim Hausarzt hinter mir. Auch diese Ergebnisse wurden größtenteils nicht anerkannt. Es war nämlich so, dass ich im Januar öfters Kopfschmerzen hatte. An einem Freitag machte ich Yoga und ging danach zu meinem Hausarzt. Der meinte, dass der Blutdruck zu hoch sei und machte einen Bluttest. Dabei bat ich ihn, auch einen HIV-Test mitzumachen, da die Hebamme zu mir gesagt hatte: „Ohne Test betreue ich die Geburt nicht.“ Auch sonst versuchte ich durch den einen Bluttest möglichst viele der Werte aus dem Mutterpass abzudecken, aber der Hausarzt durfte aufgrund seines Budgets nicht alle machen. Am Montag war ich dann wieder bei ihm. Die Werte waren alle super, nur der Blutdruck war zu hoch. Plötzlich fuhr mich der Arzt an, dass ihm das nicht passe und da er kein Frauenarzt sei, könne er mich nicht mehr betreuen und ich solle sofort in die Klinik fahren, denn ich könne eine Schwangerschaftsvergiftung haben. Erst später informierte ich mich genauer über diese erste Diagnose und auch eine Ärztin in der Klinik sagte mir, dass es für eine Präeklampsie noch viel zu früh in der Schwangerschaft sei. Aber mal wieder war ich verunsichert und so ließ ich mich weinend in die Klinik fahren. Dort meinte man, ich könne versuchen, bei einem niedergelassenen Spezialisten eine 24-Stunden-Blutdruckmessung zu bekommen, oder aber dafür hier bleiben. Um es also hinter mich zu bringen, blieb ich nach Absprache mit der Familie da. Allerdings sollte es ganze zwei Tage dauern, bis ich das Messgerät überhaupt bekam, da es in der ganzen Klinik nur ein einziges gab. Zuerst wurde ich zwar an eine halbstündige Messung angeschlossen und es wurden in der ersten Zeit auch zwei weitere Ultraschalle gemacht, was ich übertrieben viel fand und welche wie durch Geisterhand nirgends vermerkt waren. Weder in meinen Mutterpass, den ich abgegeben hatte, wurde etwas vermerkt, noch in die Unterlagen, mit denen ich endlich auf einer anderen Station das Gerät abholen konnte (stattdessen hatten sie aus Versehen das Blatt einer anderen Patientin beigelegt). Ich fragte mich zornig, was das mit dem Pass sollte. Aber es sei ja keine Vorsorge, also brauche man auch nichts eintragen. Andererseits wurde auch in der Spalte zu Krankenhausaufenthalten zunächst nichts vermerkt, danach nicht viel und in der Onlinekrankenakte meiner Kasse stand dann plötzlich doch Präeklampsie drin. Seltsam ist das schon, da es ja offensichtlich aufgrund der Schwangerschaftswoche nicht sein konnte. Außerdem wollten sie mir im Krankenhaus jeden Abend eine Thrombosespritze verpassen, obwohl ich mich jeden Tag mit meinen Besuchern draußen oder drinnen bewegte. Das erste Mal akzeptierte ich noch die kurzhalsige Spritze, aber danach fühlte sich das Bein unangenehm an. Also rannte ich die nächsten Nächte lieber nachts die Treppe hinauf und hinunter und als ich dann doch noch einmal die Fachkraft mit der Spritze im Zimmer antraf, sagte ich ihr klipp und klar, dass ich keine weitere wünsche. Wenn man sich seiner Sache sicher ist, akzeptieren sie es (meistens) ohne Probleme. Außerdem wurde mir am Anfang bei der Aufnahme ins Krankenhaus auf sehr unangenehme Weise versucht, (mal wieder vorsorglich) einen Zugang an Arm oder Hand zu legen, was aber erst beim dritten Versuch gelang. Immerhin hatte meine Zimmernachbarin bereits die gleiche leidvolle Erfahrung gemacht. Sie kannte den Krankenhausalltag allerdings noch besser als ich und tat mir leid. Es war nicht so, dass sie krank gewesen wäre oder ihr Kind nicht gesund, sie war einfach nur da, um sich sämtlicher Untersuchungen zu unterziehen, die irgendein Mediziner für sie angedacht hatte. In der Angst, das Kind könne zu früh kommen, hatte man ihr eine Art Ring untenrum eingesetzt, den man nun anscheinend mit einem „Plop“ gezogen hatte. Dabei war sie erschrocken. Um sie noch zu beobachten, musste sie mindestens über Nacht bleiben. Dabei erzählte ich, dass ich kaum Einträge in meinem Mutterpass hatte. (Andererseits konnte ich froh sein, dass ich inzwischen überhaupt einen Ausweis hatte, denn die Hebamme hatte zunächst beim ersten Treffen keinen ausgestellt und dann am Abend nach dem ersten Ultraschall gemeint, ob ich nicht in der Klinik einen bekommen hätte. Ich verneinte und so musste sie ihre Notizen eben nachtragen.) Dann zeigte mir meine Zimmerkameradin ihren und er war gespickt voll mit allem, was die medizinische Welt einer Schwangeren zu bieten hat. Es waren sogar noch zusätzliche Seiten von weiteren Untersuchungen darin und sie erzählte mir, dass sie – ohne weiteren Grund oder Vorerkrankung – auch noch dieses und jenes habe vorsorglich untersuchen lassen. Dabei erwartete sie nun schon ihr zweites Kind und ich verstand nicht, wie man in gewisser Weise so ängstlich sein konnte. In der Nacht war sie wach, stand neben dem Bett, atmete schwer und rief nach der Nachtwache. Sie meinte, dass es nun losginge und die Wehen nach der Entfernung des Ringes nun doch die Tochter hervorbrächten. Sie wusste ja das Geschlecht des Kindes im Voraus, ich nicht, da ich es nicht wissen wollte. Denn ich hatte auch einmal gelesen, dass es den Geist bei der Geburt bestärken könne, wenn man es nicht wisse. Insgesamt sollte es für mich ein großes Mysterium bleiben. Man sagte der Frau, sie solle in den Kreissaal „dackeln“. Ich wünschte ihr, dass ihre offensichtlichen Schmerzen nicht umsonst waren („heftig und alle paar Minuten“) und dass sie es bald hinter sich hätte. Am nächsten Morgen war sie wieder in meinem Zimmer, immer noch schwanger. Sie wurde nach Hause entlassen mit der Aussicht, sie wahrscheinlich „in zwei Wochen“ wiederzusehen. Ich empfand letztlich tiefes Mitleid mit ihr. Wie konnte eine erwachsene Frau mit Beruf und einem Kind, die mitten im Leben stand, mit einer ebenfalls schwangeren Schwester und einer sie unterstützenden Familie nur so unsicher sein? Was bewegte sie dazu, alle relevanten und irrelevanten Tests über sich ergehen zu lassen? Auf fremde Ärzte mehr zu hören, als auf ihren eigenen Körper? Vielleicht öffnete mir diese Begegnung auch wieder ein Stück weit die Augen. 

Letztlich begriff ich, dass es an mir lag, ob ich gesund oder krank war.

Meine Sicht auf die Dinge, mein Vertrauen in mich selbst war entscheidend und nichts sonst. Ich verließ also nach dem 24-Stunden-Geräte-Herumgetrage das Krankenhaus mit dem Befund, dass der Blutdruck manchmal Spitzen hätte, sonst aber in Ordnung sei. Natürlich sollte ich einen Frauenarzt aufsuchen und mich wahrscheinlich noch die nächsten Monate überwachen lassen. Aber ich wusste insgeheim, dass ich in dieser Schwangerschaft nicht mehr ins Krankenhaus und zu den Ärzten zurückkehren würde. Ich war meines Glückes Schmied und nahm nun alles wieder selbst in die Hand. Meine eigene Angst und Unsicherheit, meine Psyche, hatten mich hierher getrieben, aber ich war frei, alle Unbilden zu meinen Gunsten zu ändern. 

Damals machte ich mir voller Verärgerung diese Notizen zum Thema Mutterpass und überlegte scherzhaft, ihn direkt zu verbrennen. Denn letztlich hatte ich vom Labor des Hausarztes die Werte irgendwann zugeschickt bekommen (da ich die Laborkosten von 17 Euro auch noch selbst zahlen sollte, aber ich forderte sie erfolgreich von der Krankenkasse zurück, im Nachhinein wären sie eh zur Bezahlung verpflichtet gewesen) und die Aufkleber zu HIV und Co. in das Heft eingeklebt. Die Blutgruppe schrieb ich selbst hinein.

Dies war also mein Eintrag ins Tagebuch: 

Warum ich sauer auf Mediziner bin.
Der Hausarzt hat erst cool getan, aber wegen einer Messung und ein paar Proben ist er dann am Montag voll ausgetickt und hat mir Angst gemacht. Ich, der Notfall! Und jeder dort tut dramatisch herum, nur weil ich nicht beim Frauenarzt war.
Am Freitag haben sie noch gesagt, dass sie möglichst viele Bluttests machen und diese dann auch im Mutterpass eintragen. Jetzt wissen sie auf einmal nichts mehr davon. Sie können da nichts eintragen. Sind das etwa keine Ärzte oder was? Sie wollen einen wohl zwingen, den ganzen Scheiß noch einmal beim Facharzt machen zu lassen. Wollen nicht einem andern die Butter vom Brot nehmen?
Und da soll man nicht das Vertrauen verlieren? Erst versprechen, dass sie sogar die Blutgruppe von meinem alten Ausweis übertragen könnten und dann steht am Ende gar nichts drin.

Ich habe ohnehin das Gefühl, dass das Mutterpassdokument verflucht ist. Erst will die Hebamme ihn nicht so schnell rausrücken, dann steht der Ultraschall nicht drin. Die Hebamme schreibt auch fast nichts rein, der Hausarzt schreibt nichts rein und jetzt schreibt die Klinik wieder nichts rein (habe ich ja gestern gesehen, als ich bei der Kardiologie auf das Blutdruckdauermessgerät wartete). Das Heft ist verflucht!
Kein Wunder, dass ich gestern Aversionen gekriegt habe und danach beim Spaziergang mit meiner Mutter meinte, dass man das Heft auch direkt in den Ofen schieben und verschüren kann, weil ja eh nichts drinnen steht und keiner etwas einschreibt.

Dabei meinte die erste Zimmernachbarin beim Gespräch beim Essen am Schluss, die gestern bis 13 Uhr bei mir im Zimmer war, dass das doch wichtig sei, dass etwas eingetragen ist, falls mir etwas passiert. Ja, genau! Darum geht es doch beim Mutterpass, dass ein Arzt schnell reagieren und sich dafür rasch einen Überblick verschaffen kann. Der Pass ist doch für mich da und nicht ich für den Pass! Er soll mir und dem Kind helfen und nicht irgendwelchen Medizinern und sonstigem medizinischen Personal, die sich offensichtlich nur profilieren wollen: oh, den Eintrag mache aber ich! Den darf kein anderer machen! Das macht der Kollege, sonst stürzt das Universum in sich zusammen!
Ich habe kürzlich erst gelesen, dass in den Niederlanden und auch in Skandinavien die Hauptbetreuung bei den Hebammen liegt, die einen nur weiterschicken, wenn etwas abgeklärt werden muss und man danach wieder zu ihnen zurückkehrt, wenn das Ganze geklärt oder die Ursache beseitigt ist. Da gibt es auch nicht das Problem, dass sich offensichtlich in Deutschland nur ein (spezieller) Arzt bei den Proben in den Mutterpass eintragen kann. Geht’s noch? Kaum woanders in Europa gibt es wohl auch so viele Risikoschwangerschaften und jeder gilt innerhalb kurzer Überlegung als krank. Man muss ja immerzu in Angst leben, außer vielleicht, wenn man jeden noch so kleinen Test macht, damit man nicht als verantwortungslos dasteht; unabhängig davon, ob der Test sinnvoll für die persönliche Situation ist (Beispiel Röteln: eher nur in den ersten vier Monaten gefährlich, aber Drama, weil meine Werte etwas unter dem Durchschnitt liegen, trotz Impfungen, die vielleicht zu früh waren und jetzt bin ich eh drüber). Ja, ich muss in Angst leben, nur weil irgendwer von irgendwem ein Problem mit seinem Kind hatte. Habe ich denn nicht gewusst, dass alles schief gehen muss? Wie kann ich nur solches Vertrauen haben? Nun, jetzt habe ich keines mehr… Aber in die Medizin mit ihren Predigten und nicht in mich. Mir geht es ja gut. Ich bin nicht so schwer krank, wie man mir weismachen und mich damit einschüchtern will. Bäh!
Klar hatte ich am Anfang Angst, dass das Kind mit zwei bis drei Köpfen geboren wird und ein Monster ist (wie im Film über Katharina Luther), aber das war am Anfang, als ich verunsichert war, auch von meines Onkels Tod, und über meinen seltsamen Lebenswandel nachdachte. Aber das Verhältnis zur Medizin bleibt ambivalent: im gleichen Atemzug mit dem sie dich beruhigen, machen sie dir neue Angst. Die Hebamme mit ihrer Minimum 13 Stunden Geburt, bei der sie erst nur isst und die Zeit tot schlägt, dann mit einem HIV-Test und dann denkt, dass sie keine Herztöne hört und das Kind schon tot im Körper liegt und erst Wochen später ausgeschieden wird. Das war der erste große Schock (wobei ich die Telefonate vorher auch oft verstörend fand)! Aber beim Trösten war sie immerhin ganz fürsorglich und der Irrtum als solcher kann ja mal vorkommen. Dennoch machte ich mir Vorwürfe über das gestorbene Monster meines Lebenswandels und dass von der Fokussierung der letzten Wochen nur Leere bleiben würde… Ich drehe echt noch durch, was angeblich alles nicht passt. Hier (im Krankenhaus) ist es dann wieder nicht mehr so dramatisch im Klang. Wie soll man da noch durchblicken?  

Jedenfalls verschob ich wegen des Krankenhausaufenthaltes erst einmal den Hebammentermin „nach Plan“ und da weder Arztbrief noch sonstige Erkenntnisse eine Rolle spielten, kündigte sich mit der Begegnung der zweiten Hebamme ein Bruch des Vertrags an. Ich ging dann nur noch mit meinem Freund zu einem Organ-Ultraschall, weil er es für wichtig fand (ich nicht, da ich mir über die möglichen Konsequenzen weit mehr Gedanken gemacht und weit mehr Informationen eingeholt hatte als er). Allerdings wollte ich nicht zu einem x-beliebigen Frauenarzt, der auf dem Bild nur die Hälfte erkennt und im schlimmsten Fall irgendwelche Mutmaßungen bar jeder Grundlage anstellt, sondern zu einem Spezialisten. Wir fuhren also zu den Ultraschallspezialisten nach Lauf bei Nürnberg. Beim Geschlecht sollten wir wieder weg schauen, sonst war alles nett und in Ordnung. Auch wenn die Ärztin nicht ganz verstand, warum ich keinen Frauenarzt hatte. Meine Sorge war eher, dass ich die Summe von 100 bis  200 Euro für den Facharzt nun selbst würde zahlen müssen. Da ich keine Überweisung vorzuweisen hatte. Aber dann brachte mich meine Mutter auf die Idee, es doch einfach noch einmal bei meinem Hausarzt zu versuchen und tatsächlich stellte er mir eine aus und die Sache war erledigt. Manchmal muss man einfach Glück haben, auch wenn man nicht damit rechnen darf. 

Eine der letzten Stationen auf dem institutionellen Weg der Geburtsvorbereitung war dann der beinahe obligatorische Geburtsvorbereitungskurs. Wir hatten uns für einen Paarkurs am Wochenende entschieden, weil ich meinem Freund nicht alles (was ich eh schon wusste) noch einmal erzählen wollte, er unter der Woche wenig Zeit hatte und ich es schneller abschließen wollte. Also verbrachten wir ein Wochenende im Wintergarten einer sympathischen Hebamme, während draußen im Garten schon der sommerwarme Frühling Einzug hielt und die Tulpen blühten. Ich war die Einzige, die sich Notizen machte, was meinem Freund zu dem Satz veranlasste, dass es die Hebamme verunsichert hätte. Tatsächlich kannte ich das Gehörte schon aus meiner Lektüre, aber ich machte mir dennoch Notizen, zum Beispiel zu „Entwicklungssprüngen“ und um alles noch einmal zu überdenken. Letztlich erzählte uns die Leiterin aber auch Dinge, die ganz und ganz nicht haltbar waren, z.B. dass Frauen in Südamerika immer einen Kaiserschnitt machen sollten und abgeholt werden würden, um sie in die Klinik zu bringen. In meinen Recherchen war das Gegenteil der Fall, dass es dort nämlich zu viele Kaiserschnitte (gewünschte usw.) gab und die Regierungen Maßnahmen ergriffen, um die Rate zu senken. Es ärgerte mich, dass durch ihren Vortrag ein völlig falscher Eindruck entstand. Nein, wir mussten nicht froh sein, dass wir nicht in Südamerika lebten, sondern wir mussten, meiner Meinung nach, froh sein, dass die Geburt problemlos von alleine abläuft. Es ist letztlich nichts anderes als das Programm einer Waschmaschine, das voreingestellt abläuft. Natürlich kommt es zu Störungen, wenn man den Stecker zieht, den Strom abstellt oder den Filter verschmutzen lässt. Die Vorbereitung sollte daher meinem Erachten nach eine geistige sein, auch sollte man den Körper fit halten. Ich ging immer noch mit dem Hund spazieren, ging in den letzten Arbeitswochen ganz normal allen Aktivitäten nach, ging in die tiefe Hocke, machte vorher noch eine Zeitlang Yoga und schleppte bis zum Schluss große Gießkannen durch den sommerlichen Garten. Wenn ich keine weiteren Störungen von außen zulasse, ist mein Sieb also nicht verstopft und niemand kann mir in meiner Selbstachtung so schnell den Stecker ziehen. Alle im Kurs waren übrigens Erstgebärende, wollten voraussichtlich eine natürliche Geburt und bis auf eine planten sie zu stillen und waren zum Großteil wohl schon mit Hebammen (z.T. wohl auch für eine Hausgeburt) und Kliniken eingedeckt. Leider kam ich in der kurzen Zeit nicht dazu, mich viel mit jeder einzelnen Teilnehmerin zu unterhalten. Jedenfalls war mein Freund froh, dass wir den Kurs gemacht hatten (ja, die Männer im Kurs hatten es definitiv nötiger als die Frauen). Ich hingegen nahm nicht allzu viel mit, außer, dass mich der von außen vorgegebene Weg immer mehr abstieß und nervte. 

Also hatte ich bisher Ultraschalle gehabt und machte nun mehr oder weniger meine eigene Vorsorge. Mein Gemüt beruhigte sich immer mehr und ich fühlte mich gut, weil ich mich nicht mit den Problemen anderer Menschen, mit irgendwelchen Vorgaben und „Rumgefahre“ in der Gegend auseinander setzen musste. Ein letztes Hindernis bleib aber: ich brauchte eine Bescheinigung über den Geburtstermin für die Krankenkasse, um das Mutterschaftsgeld zu bekommen. Außerdem wollte ich gerne wissen, ob das Kind vor der Geburt nun richtig herum lag. 

Bevor das Kind nun langsam in Position liegen sollte, versuchte ich zum letzten Mal, eine andere Hebamme zumindest für das Abtasten und die Bescheinigung aufzusuchen. Tatsächlich hatte ich einen Termin bei einer mittelalten Dame aus der ehemaligen DDR, die sofort nach der Klinikanmeldung fragte und meinte, ich solle ja nicht auf die Idee kommen, das Kind womöglich alleine zuhause zur Welt zu bringen (anscheinend war ihr der Trend auch schon zu Ohren gekommen). Also: Bauchabtasten und zur Abwechslung auch mal mich wiegen, außerdem Urinteststreifen benutzen wie bei der anderen Hebamme. Letztlich fand ich aber dank des Buchs „Die geplante Alleingeburt“ von Anita Evensen eine Möglichkeit, diese Urintests selbst durchzuführen, indem es mich darauf hinwies, dass ich die Streifen auch selbst kaufen und anwenden könne (ein Plan liegt dem Buch bei). Der Möglichkeit kam ich über das Internet gerne nach und machte mehr oder weniger meine eigene Vorsorge. Letztlich erschien die Hebamme zwar in Ordnung, aber ich mochte es nicht, dass sie so dominant war und ich wegen der Klinikanmeldung flunkern musste. Letztlich sollte ich für die Bescheinigung einen Frauenarzt aufsuchen, meinte sie, der müsse sie ausstellen.

In meiner Verzweiflung fragte ich per SMS noch die erste Hausgeburtshebamme an, ob es stimme. Tatsächlich wurde ich positiv von einem großherzigen Angebot überrascht: Ich solle bei ihr zuhause vorbeikommen, sie würde mich noch einmal abtasten und mir dann die Bescheinigung ausstellen, da sie nicht wolle „dass mir ohne Frauenarzt Nachteile erwachsen würden.“ Ich war sehr froh und brachte ihr gütig eine Tafel Schokolade mit und nach kurzem Plausch war es erledigt. Sie verstand immerhin, dass ich mein eigenes Ding durchziehen musste, auch wenn sie persönlich mehr „Sicherheit“ gebraucht hätte. Alle anderen Unstimmigkeiten waren abschließend Ihren Vorgaben zu schulden. Leider sollte diese versöhnliche und verbindende Begegnung vor der Geburt nicht der letzte Stand bleiben. 

Eigentlich hatte ich ja tatsächlich, wie ich es auch zu den Hebammen gesagt hatte, mit dem Gedanken gespielt, mich in einer oder mehreren Klinken wenigstens anzumelden. Aber letztlich brachte ich es nicht übers Herz, meine Mutter brauchte es damals nicht, und ich wollte mich nicht festlegen oder mich damit beschäftigen und extra einen Termin ausmachen und hinfahren. Je weniger ich mich mit den äußeren Mechanismen beschäftigen musste, desto besser ging es mir. 

Dank der Bescheinigung über den Termin von meiner ehemaligen Hausgeburtshebamme, bekam ich nun also Mutterschaftsgeld von der Krankenkasse (es ging also tatsächlich nicht, wie oft behauptet, nur eine Bescheinigung vom Arzt, sondern die Hebammen haben die selben Rechte, wie sie meist auch für sich proklamieren). Ich schloss meine beruflichen Angelegenheiten ab und erwartete den Termin, wenn auch z. T. mit dem Gefühl eines Kaninchens in der Falle. 

Hebammenbesuch
16. Mai: Durfte für Krankenkassen-Formular noch einmal bei ihr vorbeikommen (sehr nett, damit ich keine finanziellen Einbußen habe ohne Arztbesuch, so sie).
(Erst mit Hörrohr, dann mit Miniultraschall Dopton-Ding:) Herztöne super, Kind laut Herztönen gerade wach (dann sind die wohl schneller).
Hab ihr außerdem was in die Akte geschrieben, dass ich keine weitere Vorsorge wünsche.
Sie war darum nicht böse, sagte aber, dass sie es persönlich nicht so könnte, unterschiedliche Personen eben, aber okay.
Lage: Kopf unten, leicht von mir aus rechts gesehen unten spürte ich dann auch etwas Hartes, ist tatsächlich der Kopf, liegt also mit dem Kopf nach unten, der Rücken befindet sich auf meiner rechten Seite, die Füße sind links.
Kopf ließ sich mittig wohl hin und her schieben.
Dennoch denkt sie, dass es wahrscheinlich gar nicht bis zum Geburtstermin dauern wird, sondern ev. leicht vorher kommen wird, da der Kopf schon so weit unten liegt (im Becken bzw. kurz davor?) und das Kind schon groß, kräftig und gut entwickelt ist.
Mal sehen, ob sie Recht hat .

Natürlich rückte der Termin näher, ich nahm mir weniger vor, war aber weiterhin im Garten tätig und mit meinem Freund am Wochenende zu Baumärkten und Möbelhäusern unterwegs, um seinen Umzug und unseren gemeinsamen Zusammenzug voran zu bringen. Unter der Woche verbrachte ich ruhige Tage und – wie zu erwarten war – geschah: nichts. Der fünfte Juli, der errechnete Termin, kam und ging ohne nennenswerte Ereignisse. Eine Woche zuvor, denke ich, hatte ich mal für ein paar Minuten ein Ziehen, und legte mich auf die Seite, aber es war gut zu ertragen und ich dachte erst, es sei ein Vorzeichen. Dann war es wieder weg und es geschah nichts mehr. Die Hebamme lag also falsch, als sie meinte, es werde vor dem Termin kommen (ich selbst kam ja auch nach dem Termin). Währenddessen wurde im Fernsehen die Tour de France übertragen und da ich in den warmen Sommermonaten untertags nicht viel zu tun hatte, gedachte ich, dort zumindest einmal hineinzusehen. Und sehr schnell zogen mich die Landschaften, Etappen und Kämpfe zwischen den zwei führenden Fahrern mit ihren unterschiedlichen Stärken in ihren Bann: es tat mir gut, ihnen zuzusehen und an die Fahrradtouren mit meinem Freund zu denken, weswegen ich die Übertragung überhaupt aufgerufen hatte. Letztlich erkannte ich, dass ich mühelos im Stande sein würde, ein Kind zu bekommen, wenn andere mit dem Fahrrad starke, schweißtreibende Steigungen und tagelange Wettkämpfe bewältigen konnten. War es denn nichts anderes als ein Wettkampf? Ich musste nur vorbereitet sein und mein Kampfgeist war offensichtlich geweckt. So verstrich die Woche. Am Wochenende kam wohl keine Übertragung mehr und ich hatte eh keine Zeit, weil ich mit meinem Freund in der Hitze durch die Gegend fuhr und Möbelhäuser besuchte (bei einem saßen wir im Bistro unter einer Kuppel, die ganz oben wegen der Hitze gesperrt war, ein Eis und ich guckte die Bank im 50er-Jahre-Stil in Knallrot nicht richtig an und setzte mich daneben, rutschte von der Kante, landete auf dem Po, war erschrocken, aber lachte zugleich. Auf dem Klo war mir etwas feucht in der Unterhose. Ich legte Klopapier ein, schwitze ja auch und ging weiter. Bei einem lebensgroßen, kunstvollen Pferd im Haus machten wir ein paar Fotos. Es würden die letzten im hochschwangeren Zustand sein. 

Das Siegel der Königin: Ein Zeichen?


Tagebucheintrag

7. Juli (Freitag), 22:03 Uhr: ich hatte in den letzten Tagen ja wohl schon mehr Ausfluss, vorgestern so etwas weißlichen Schleim, nun wieder klar, jetzt sah ich zufällig in die Kloschüssel und es war ein winziger roter Punkt zu sehen, wie so ein 5 mm mittelrotes Blutgebilde. Es sah fast aus wie Kunstfaser. Aber ich hatte keine rote Unterhose an. Von daher?! Sehr cremig sah es aber nicht aus. Es hätte auch ein Lackpartikel sein können. Kein Wunder, dass es auf dem Klo so leicht gedrückt hat, wie wenn man loslassen will und gleichzeitig nicht will, dass etwas rausfällt.
23:27 Uhr: leicht rötlicher Ausflussfleck auf dem Toilettenpapier, das ich vorhin in die Unterhose gelegt hatte.

8. Juli (Samstag), 03:54 Uhr: noch mehr leicht rosa Schleim auf dem Papier,
ganzen Tag immer wieder Schleim, meist weißlich bis klar in der Unterhose.

0 Uhr bzw. wohl ein paar Minuten davor: im Bett merke ich plötzlich beim Einschlafen, dass Flüssigkeit ausläuft, wie Urin, aber es ist keiner. Ich stehe auf, verliere dabei einen kleinen Fleck im Bett, mein Freund hat aber nichts gemerkt, er macht im Halbschlaf nur das Licht an und ich husche auf Klo. Ein Spritzer ist auch an meinem rechten Bein herunter gelaufen. Die frische Unterhose ist nass. Ich ziehe sie aus und hole mir eine dicke Binde. Beim Aufstehen von der Toilette wieder Spritzer bis zum Fuß nach wenigen Sekunden. Dann beim nächsten Versuch kann ich die alte kurze Hose holen, die Blase entleeren und mir die Binde einklemmen. Ich war schon ein bisschen verzweifelt für zwei Sekunden, schließlich möchte ich noch schlafen. Aber das war bestimmt die Fruchtblase.  

Die eigentliche Geburt


Leichtes Ziehen Samstagabend, mein Freund bemerkt es auch und ist bei mir. Dem Ablauf und Rhythmus nach müssen es Wehen sein. Irgendwann verfolge ich sie auch mit einer App. Ich sitze ganz normal da bzw. laufe rum und atme lange aus, wenn was ist, und probiere es mit dem Tens-Gerät, aber bis zum späten Abend ist es wieder vorbei. Es ist nicht angenehm und das Elektrozeug bitzelt so komisch, trotz kleienr Stufe. Ich finde es nicht so toll. Aber ich will das jetzt nicht (die Geburt) und es hört wieder auf. Mein Freund meint, ich hätte den ganzen „Vorgang abgebrochen“. 


Wehen Sonntagabend, den 09.07.23, wie zuvor am Samstag und noch regelmäßiger, dass man schon ins Krankenhaus hätte fahren können, später in der Badewanne hören sie aber irgendwann wieder auf und zuvor habe ich auch eine Tasse Frauenmanteltee getrunken und in der Badewanne gleichzeitig die Hypnobirthing-CD gehört, die ich in den Wochen zuvor mit meinem Freund immer mal wieder (unregelmäßig) angehört habe. Mein Freund ist die ganze Zeit an meiner Seite. Das ist schön, aber auch ein bisschen anstrengend, weil ich auf seinen Gesichtsausdruck und seinen Händedruck „reagieren muss“ (ich will nicht leidend aussehen). Offensichtlich will ich instinktiv allein sein, sowohl samstags als auch sonntags, denke ich im Nachhinein. 
Dann gehen wir um Mitternacht ins Bett und ich wache dreimal wieder aus dem Schlaf auf (gefühlt jede Stunde) und muss aufs Klo, weil was drückt. Wenn ich auf dem Klo ankomme und sitze, fühle ich mich am wohlsten und schlafe fast wieder ein (kippe fast zur Seite). Mein Freund schläft irgendwann nur noch und bemerkt nichts mehr. 


Schließlich finde ich mich vor der Badewanne kniend wieder (vom Klo rüber gekommen) und weiß nicht, wie lange ich dort bin; vielleicht eine Stunde. Ich bin wie in Trance oder im Halbschlaf. Es umfängt mich das Dämmerlicht der späten Nachtstunden mit der schummerigen Atmosphäre der Deckenleuchte, da der Bewegungsmelder am Waschbecken mit dem hellen Spiegellicht bereits ausgegangen ist. Ich fühle mich von dieser tiefen, nächtlichen Ruhe umfangen. Wie ein Tier im nächtlichen Wald. Ich spüre nichts Unangenehmes und seit der Badewanne auch kein Ziehen mehr in der Gebärmutter. Irgendwann hechle ich sogar kurz, um langsam zu machen und dann gebe ich wieder dem Pressdruck nach und kann nicht verstehen, wie das jetzt schon sein kann und denke an den „Report der Magd“ mit „pressen, pressen, pressen“, und so verging die Zeit vor der Badewanne und dann habe ich auch schon den harten Kopf in der sehr feuchten Scheide mit den Fingern erspürt (Wahnsinnsgefühl!); war da ein leichtes Brennen Richtung Schluss? Ich weiß es nicht, ich dachte, dass jetzt auch Kot rauskommt und dann „flutsch“ war das Kind mit viel Kraft draußen, aber kein Kot zu sehen, allerdings hatte ich ja vorher eine rege Verdauung immer wieder und mich am Sonntagabend auch übergeben (ich dachte noch: „Schade, um die guten Bratwürste vom Grillen“; abgelenkt von der Grillgesellschaft am frühen Abend hatte ich die leicht kommenden Wehen übrigens zuvor auch gut ignorieren können). Mein Kind landete auf dem weichen Badezimmerteppich vor der Wanne, den wir leider danach entsorgen mussten. 


Das Kind ist da. Ich schreie nach meinem Freund. Ich sage ein paar Mal, als er das Kind aufhebt, wie im Rausch, ungläubig und voller Stolz: „Ich habe es geschafft, ich habe es geschafft!“ und auch „Schau auf die Uhr!“ und er macht alles und freut sich auch sehr und ist stolz, irgendwie habe ich aus dem Augenwinkel gesehen, dass es ein Junge ist und das Kind hat sich auch vor der Geburt im Bauch immer noch bewegt und auch in der Badewanne (Doppelgespür oben und unten quasi) und nun schrie der Kleine beim Rauskommen gleich leicht gurgelnd und eine Viertelstunde später dann vollkommen klar und so laut, dass es meine Mutter im unteren Stockwerk hörte. Er war sofort rosig, niemals blau und ziemlich sauber mit wenigen Blutschlieren am Kopf und wir müssen es mit der Nabelschnur umgestaltet und machten alles bereit, damit ich mich ins Bett legen konnte mit dem Kind auf der Brust, das da ziemlich leise war und gleich die Augen aufschlug, aber ich kann nicht lange liegen wegen des Mutterkuchens und dann ist da wieder dieser Druck. Insgeheim habe ich vor dem Mutterkuchen am meisten Respekt und denke: Viele gehen ins Krankenhaus, weil er nicht rechtzeitig kommt. Dann kündige ich es an, stehe ich auf und merke, dass ich aufs Klo muss und dort fällt sofort die Plazenta ins Klo, dann ziehen wir sie aus dem Becken heraus und sie kommt in einen Eimer (die Hebamme gibt mir später ein Stück davon zum Probieren, das viel besser schmeckt als gedacht, den Rest bestatten mein Freund und ich später auf meinen Wunsch hin im Garten). Wir hantieren etwas umständlich herum. Ich hole eine Notfallschere aus der Autotasche und sterilisiere sie mit heißem Wasser in der Küche, wir schneiden die Nabelschur durch, die wir vorher mit einer speziellen Klammer, die ich aus dem Internet geordert hatte, abklemmten. Es wäre natürlich auch ohne Klammer gegangen und man hätte sich locker mit dem Durchtrennen noch mehr Zeit lassen können, aber so hat es sich nun einmal ergeben. 

Das war das Geburtswochenende.

So hielt ich nach zwei Abenden mit etwas unangenehmem Ziehen und einer sehr meditativen eigentlichen Geburt am Montag (10.07.23) unseren neugeborenen Sohn in den Armen. Deshalb verstehe ich mich in meiner eigenen Bewertungsmatrix sowohl als schmerzfrei als auch -los. 

Was hat mir geholfen?

  • Eigene mentale Vorbereitung
  • Eventuell Tens-Elektroschocks (allerdings nur in den schwachen Stufen genutzt), obwohl ich den immer etwas unangenehm/seltsam fand, aber ich weiß natürlich nicht, ob es ohne besser gewesen wäre. Mir war das mit dem Auslösen irgendwie unheimlich und zu technisch.)
  • Baden mit Badezusatz, Wärmebad Moor
  • Entspannungs-CD aus dem Hypnobirthing-Buch während des Badens (man muss es also nicht regelmäßig hören und trainieren und alles durcharbeiten, sondern unregelmäßig vorher einfach immer wieder vor dem Einschlafen anhören hat schon gereicht) 
  • Lavendelmoorduft unter die Nase gehalten/daran geschnuppert (von einer Art Massageöl für Schwangere)
  • Wärme und Kälte (kann auch gut sein, beim Baden…) 
  • Tagsüber Ablenkung beim Grillen
  • Kräutertee mit Frauenmantel gegen Verkrampfungen 

Wie ging es nach der Geburt weiter?

Im Schutz der Dunkelheit und in aller Stille wurde unser kleiner Sohn um halb 4 Uhr morgens geboren. Mein Freund und ich machten alles soweit fertig, etwas später fotografierte er dann noch den Sonnenaufgang. Dann lagen wir im Bett, schliefen und ich schrieb zwischendrin zwei Hebammen an. Die bereits bekannte Hebamme sagte zu, am nächsten Vormittag vorbeizukommen. Ach, wie schön. Aber ich war froh, dass für die U1 überhaupt eine kam, denn das soll man ja schließlich machen (in Bayern). Sie verzeichnete eine „Erste Hilfe nach Alleingeburt“ oder so ähnlich und erfasste den Termin mit fünf Tagen nach dem errechneten Datum, ein Geburtsgewicht von 3750 g und eine Körperlänge des Kleinen von 54 cm. (Der Kinderarzt maß ein paar Tage später nur noch 51 cm und sagte sinngemäß etwas von verschiedenen Messtechniken und mit dem „Maßband drum herum legen“, es gibt also auch hier mal wieder keine absolute und verbindliche Vorgehensweise). Bei dem Termin wurde ich auch untersucht und ich dachte, okay, warum nicht. Nach unangenehmem Herumgewische zum Säubern und Freilegen unten herum stellte sie einen Dammriss zweiten Grades fest und meinte, ich solle mir überlegen, diesen nähen zu lassen. Am nächsten Tag kam sie wieder und ich ließ mich breitschlagen, nachdem sie mir im Schnellverfahren irgendwas erklärte und meinte, meine Unentschlossenheit dauere so lange und sie habe noch andere Termine. Ich hatte halt keine Erfahrung mit dem Nähen und verstand nicht, was daran so schlimm sein sollte, da ich keinerlei Beschwerden hatte und auch niemals Urin verlor oder so. Aber ich dachte, okay, zum guten Abschluss bringen wir das auch noch hinter uns. Allerdings lag ich dann mit Freund und Kind auf dem Bett, jammerte die Welt zusammen und schnaufte, wie andere beim Geburtsvorbereitungskurs. Die Hebamme hielt das nicht aus und brach ab. Mir war es einfach zu unangenehm trotz Betäubung (man spürt ja trotzdem was und dachte: „was? erst die Hälfte?“). Aber sie machte dann ja eh nicht weiter, ich hatte auch die Nase voll und sah ein, dass es mit einer Geburt mit ihr und mir eh nichts geworden wäre, wenn sie sich so schnell verunsichern lässt. Nun redete sie auf mich ein, dass ich mit ihr ins Krankenhaus fahren solle und es unter Vollnarkose machen zu lassen. Ich konnte mir insgeheim nicht vorstellen, dass sie es dort anders machen würde (zumindest nicht unter Vollnarkose), aber als sie von Lachgas sprach, dachte ich ernsthaft darüber nach. Währenddessen schaltete sich auch meine Familie ein und es kam zu komischen Szenen, als meine Mutter meine, ich wolle doch auch wieder Sex haben und das hätte mir doch vorher auch Spaß gemacht. Und ich dachte nur: „Was passiert hier?“ Mein Freund war sowieso ganz besorgt und redete auf mich ein. Er konnte nicht verstehen, dass das Nähen für mich so unangenehm war. Aber ich fühlte mich einfach ausgeliefert und an einer empfindlichen Stelle gequält. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und gab nach. So kurz nach der Geburt war es unangenehm zum Auto zu laufen und sich hinein zu setzen, vor allem, weil ich nun ein komisches Gefühl zwischen den Beinen hatte, oder es mir zumindest einbildete und es hieß ja, man sollte die Beine zum Zusammenwachsen zusammenhalten und so watschelte ich mit der halben Naht durch die Gegend. Es war ja Hochsommer und die Hebamme packte den Kleinen in zehn Schichten ein und so fuhren mein Freund, der Kleine und ich hinter der Hebamme her zum Krankenhaus. Sie hatte uns bereits angekündigt, aber es dauerte wieder ewig und ich wollte nur bei meinem Kleinen bleiben. Man ließ uns in einem Raum warten und es uns nochmal überlegen. Schließlich stimmte ich zu, dass sie es anschauen, was aber unangenehm war, auf einem Stuhl mit mindestens drei Schwestern und Ärztinnen davor. Alles sträubte sich in mir und sie meinten, die Naht sei total locker und nicht gut gemacht und sie müssten alles aufmachen und neu machen. Ich dachte nur: „Bloß nicht!“ Ich solle wenigstes am Lachgas schnuppern und ich stimmte zu, aber es erheiterte mich nicht und erleichterte auch nichts, sondern ich bekam nur Kopfschmerzen, was aber normal sei. Mir war klar, dass ich es unter diesen Umständen nicht noch einmal durchstehen würde und so sagte ich ab. Mein Freund war besorgt und sprach auf dem Gang mit der Ärztin, die wohl meinte, ich hätte nicht alle Tassen im Schrank (und gab uns später gleich einen Flyer mit Hilfsangeboten für Familien mit; witzlos wie alles zusammengeworfen wird). Wieder ließ man uns warten. Ich brauchte eine neue Binde, da sie die alte weggetan hatten und ich sagte es, trotzdem kam niemand ins Behandlungszimmer. Ich fand es eine Frechheit und absichtliche Herabstufung. Ich war schon dran, selbst in die Schränke zu gucken, als sie endlich zurückkamen. Letztlich wurden wir nach dem Anziehen in ein anderes Zimmer geführt und ich sprach noch einmal mit der Ärztin, die offensichtlich aus Spanien stammte, aber trotzdem den herabstufenden Satz auf meine Frage nach der Heilung hervorbrachte: „Ja, in Afrika lässt man das so und dann wächst das irgendwie schief zusammen.“ Gleichzeitig sagte sie mir, dass es eigentlich nach so und so viel Stunden genäht werden sollte und ich entgegnete, dass die ja eh schon vorbei seien. Dennoch sollte ich unterschreiben, dass ich mich quasi auf eigenes Risiko entlasse. So verbrachte ich Stunden für nichts im Krankenhaus und das stresste nicht nur mich, sondern auch meinen Freund und mein Kind. Das passiert, wenn man nicht auf sein eigenes Gefühl hört. Ich hätte die ganze Aktion gleich lassen sollen. Spät in der Nacht schrieb ich dann Sarah Schmid, die mir prompt antwortete (wofür ich ihr sehr dankbar bin), dass es natürlich selbst gut verheilen kann und die Hebammen und Ärztinnen nur nicht mehr um die Selbstheilungskräfte des Körpers wüssten. Warum habe ich nicht gleich besser nachgesehen? Ich wollte mich nicht mit dem Thema beschäftigen, dabei hatte ich doch gelesen, dass Grad 2 gut heilen kann (in Sarah Schmids Buch „Alleingeburt“). So musste ich die Lehren daraus ziehen. Aber wie traumatisch wäre erst die Geburt geworden, wenn ich mich da genauso von anderen hätte verunsichern und in eine so ungesunde Umgebung hätte zerren lassen? Ungesund für meine Seele, meinen Selbstwert und das Ergebnis! Jedenfalls störte mich danach die halbe Naht mehr und durch die Konzentration darauf hatte ich ein stärkeres Fremdkörpergefühl als nach der Geburt, als ich gar nichts gespürt hatte. Die Hebamme sah ich danach nur noch ein- oder zweimal zu weiteren Untersuchungen meines Sohnes. Danach hatten wir immer wechselnde Hebammen aus der Bereitschaft, was auch nicht schlimm war. Ich ließ mich nicht mehr untersuchen und sagte ihnen, dass sie sich nur noch mit meinem Sohn befassen sollten (was letztlich nur das Messen und Wiegen beinhaltete). Aber schade, dass es mit der Hebamme, die mir auch viel Gutes getan hat, mit so ambivalenten Erinnerungen und Gefühlen enden musste. Im Nachhinein würde ich einfach noch mehr auf mich hören und mich noch weniger bedrängen lassen (auch noch weniger unnötige Ultraschalluntersuchungen machen lassen und generell viel später zu einer Hebamme gehen und erst, wenn sie wirklich Aussagen treffen können). 

Was könnte noch interessant sein? Die Anmeldung in der Kleinstadt war auch kein Problem. Ich sah, dass man es online machen und abschicken konnte. Also machte ich alles fertig, aber im Nachhinein stellte sich heraus, dass es beim falschen Amt landete und intern irgendwie nicht weitergeleitet werden konnte. Mein Freund war dann mit dem ausgefüllten Formular und der Bestätigung der „Nachsorgehebamme“ beim Amt. Bestimmt wäre es auch sehr gut ohne diese Bestätigung gegangen, da die gute Frau ja eh nicht live dabei gewesen war. Letztlich war die Zuständige vom Amt nur erstaunt, dass es eine Hausgeburt war, weil das ja nicht alltäglich ist. Sie machte alles fertig. Aber durch das nicht weitergeleitete Onlineformular und das Wochenende dazwischen erhielt unser Sohn sogar erst nach Ablauf der Frist seinen endgültigen Namen, ein Umstand, den auch niemand mit einer Silbe erwähnte. 

Die freie Geburt ist eine Himmelsmacht

Kraftvoll und ungewohnt, nur wenig unangenehm. Aber eine Verstopfung ist ja auch nicht so euphorisierend! Schließlich kommt ein neun Monate getragenes Menschlein heraus! Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes WUNDER-bar.

Nachwort

Wenn ich an die Schwangerschaft zurückdenke, fällt mir auf, dass ich am Anfang durch Hormone und Co. sehr viel verunsicherter und ängstlicher war. Das ist normal. Nach der Geburt nach meinem eigenen Willen, war ich aber eine Göttin und mein Selbstbewusstsein wuchs ins Unermessliche. Jede Frau hat Ängste während der Schwangerschaft, aber die Frage ist, was wir daraus machen. Ich dachte z.B. mein Leben nur noch bis zur Geburt, die dann mein (gesellschaftlicher, geistiger oder physischer) Tod wäre. Dem war nicht so und ich bin auch durch kein Tor in eine andere Welt gegangen. Dann ist die Sache gelaufen und man hat Leerlauf, der nur dadurch überspielt wird, dass man sich um das Kind kümmert und z.B. Kinderarzt und Hebammentermine für die Vermessung des Kindes wahrnimmt. Was ich damit sagen will: Die wahren, nervenaufreibenden Entscheidungen und neuen Ängste fangen ja nach der Geburt erst an. Es ist wie immer im Leben: kaum ist das eine geschafft, geht es mit der nächsten Herausforderung weiter. (z.B. habe ich mir über das Stillen gar keine Gedanken gemacht, was auch erst einmal unangenehm ist, bis es sich wie kinderleicht eingespielt hat, wie wenn ein Schalter plötzlich klickend umgelegt worden wäre.) Der Unterschied zu anderen Geburten ist nur: Ich denke voller Bestärkung an die Geburt meines Sohnes zurück und schon weiß ich, dass ich jede Herausforderung im Handumdrehen meistern werde und dass mir der Respekt zusteht, der jeder Mutter zustehen sollte. 

Text & Beitragsfoto © Aquamum

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