RICHTIGSTELLUNG zum Spiegelartikel „Meine Geburt gehört mir“ bzw. „Die Frau als wildes Tier“

Ich bin schon etwas länger in Verzug mit einer wichtigen Richtigstellung zum Artikel „Meine Geburt gehört mir!“ im Spiegel Magazin Ausgabe 52/2016. Da sich mittlerweile auch derStandard.at an diesem Artikel bedient hat und vergangene Woche der Spiegel nochmals den Artikel aus dem Archiv gekramt hat, möchte ich jetzt die Gelegenheit nutzen diesen sachlich richtig zu stellen.

Der ursprüngliche Artikel im Spiegel Magazin, den ich Dir hier verlinke, ist ein Bezahlartikel. Vielleicht hast Du ihn schon gelesen? Wenn nicht, rate ich davon ab diese  0,39€ zu investieren, es sei denn  Du liest gerne spiegelverkehrte Geschichten.

Was ich zu beanstanden habe?

  1. Sowohl der deutsche Spiegel als auch der österreicherische Standard verwenden in ihren Artikeln Adjektive wie EXTREM, RADIKAL, GEFÄHRLICH, … um was nochmal zu beschreiben? Ach ja … eine unspektakuläre natürliche physiologische Geburt! Wenn man das so liest könnte man meinen, der Auftrag von Journalisten hieße: Schreiben Sie eine REIZWORTGESCHICHTE!
  2. Ich bin ehrlich schwer enttäuscht, dass wir uns auf dieses Interview mit der Journalistin Anna Clauß eingelassen haben. Bedauerlicherweise hatten wir nur mündlich vereinbart, dass wir den Artikel vor der Veröffentlichung lesen und freigeben wollen. Auch war ich tatsächlich der Annahme, ich könne einen seriösen Journalismus vom Spiegel erwarten.  Umso enttäuschter war ich, dass ich den fertigen Artikel gar nicht einsehen durfte. Und so kam es, dass sowohl der Alleingeburtlerin Nicole  als auch mir die Worte im Munde verdreht wurden und aussagekräftige Zitate völlig aus dem Kontext gerissen in die Reizwortgeschichte „Meine Geburt gehört mir“ eingearbeitet wurden.
  3. Entgegen der von Soziologin Lotte Rose und anderen zitierten Kritikern vermuteten „Überglorifizierung Alleingebärender“ und dem „übereifrigen Streben danach mit einer Alleingeburt in die Schlagzeilen zu kommen“, war die einfache und schlichte Wahrheit eine ganz andere! Es ging nämlich um die Anmeldung einer Alleingeburt in einem Standesamt in der Vulkaneifel, die derart aus dem Ruder lief, dass das Jugendamt eingeschaltet wurde und im weiteren Verlauf den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge für ihre frisch geborene Tochter entzogen wurde. Was der Journalistin Anna Clauß an wichtiger Aufklärungsarbeit leider nicht gelungen ist möchte ich jetzt mit diesem Beitrag nachholen.

Wie bin ich da überhaupt hinein geraten?

Für mich begann diese Begebenheit mit einem Kommentar unter meinem Blogartikel Anmeldung und Geburtsurkunde nach Alleingeburt, den ich hier zitiere:

„Meine Tochter hat in Deutschland, zuhause mit ihrem Mann zusammen eine Alleingeburt durchgeführt, alles verlief gut. Mein Schwiegersohn wollte am 3. Tag seine kleine Tochter anmelden. Die Standesbeamtin bestand auf eine ärztliche Geburtsbescheinigung oder eine Geburtsbescheinigung von einer Hebamme, sie setzte eine Frist. Mein Schwiegersohn konnte beides nicht bringen, da es ja eine Alleingeburt war. Ein paar Tage später rückte das Jugendamt, eine Hebamme, ein Notarzt und die Polizei an und zwangen meine Tochter mit dem Kind ins nächstliegende Krankenhaus zu fahren, dort mussten sie mit der Kleinen eine Woche bleiben.
Gleichzeitig wurde per Eilverfahren meiner Tochter und meinem Schwiegersohn das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr Kind entzogen. Das ist jetzt über ein halbes Jahr her. Die kleine wächst und gedeiht, sie wird voll gestillt und hat ein sehr gutes zuhause mit liebevollen Eltern. Beide haben im Gesundheitsbereich studiert. Sie haben das Aufenthaltsbestimmungsrecht ihres Kindes noch immer nicht zurück, im Gegenteil, da beide ihr Kind „Thema Impfen“ nicht gegen alles impfen lassen wollen, (die ganzen U Untersuchungen wurden bei der kleinen durchgeführt), hat man ihnen das Gesundheitsrecht fürs Kind entzogen und jetzt will man noch einen Gutachter einschalten, ob die beiden überhaupt erziehungsfähig sind. Das alles wurde durch die Alleingeburt in Gang gesetzt. Meine Tochter und mein Schwiegersohn haben dagegen jetzt Klage beim Oberlandesgericht eingereicht. Es ist ein Spießrutenlaufen wenn man nicht so funktioniert wie es die Gesellschaft verlangt. Eine Alleingeburt ist nicht strafbar, aber wehe man macht es !!!!
Die ganze Familie leidet dadurch, weil man ständig in der Angst lebt, was das Jugendamt sich noch einfallen lässt.“

Bald darauf meldeten sich die betroffenden Eltern Nicole und Stephan bei mir und baten um ein Treffen. Im Wald! Sie waren mittlerweile so drangsaliert worden, dass sie niemandem mehr trauen konnten. Sie fühlten sich dauerüberwacht und konnten nur in einem Waldstück die Sicherheit finden, sich mit mir zu treffen.

Worum es wirklich ging

Das Gespräch im Wald war für mich eine einzige Achterbahn der Gefühle. Wenn gleich ich Tränen der Freude in den Augen hatte, wenn ich Nicole zuhörte, wie sie von ihrer nahezu schmerzfreien und lustvollen Geburt erzählte, so sehr schmerzte mich das Ergebnis der anschließenden völlig fehlgelaufenen Anmeldung der Geburt.

Der Vater Stephan hatte sich gesetzestreu und fristgerecht ins Standesamt begeben, um gemäß Personenstandsgesetz (PSTG) §18 und §19 die Geburt seiner Tochter anzumelden. Das war seine gesetzliche Pflicht und dieser ist er einwandfrei nachgekommen.

PSTG §18, Quelle Juris
PSTG §19, Quelle Juris

Die dafür aufgesuchte Standesbeamtin in der Vulkaneifel verweigerte jedoch seine mündliche Anzeige der Geburt, schickte ihn wieder weg und verlangte eine „ordentliche“ Geburtsbescheinigung.

Die Geburtsbescheinigung -wie sie üblicherweise durch eine Hebamme oder ein Krankenhaus ausgestellt wird-  kann nur ausgestellt werden, von Fachpersonen, die bei der Geburt zugegen waren. Dem Vater war es also absolut unmöglich diese Geburtsbescheinigung zu erbringen, weil eben diese Geburt ohne Hebamme zu Hause stattgefunden hatte. Auch das Setzen einer Frist änderte nichts an der Tatsache, dass die Geburt ohne Geburtshelfer bereits stattgefunden hatte.  Was hätte der anmeldewillige Vater machen sollen? Zaubern?

Stephan wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass es in der Personenstandsverordnung §33 unter anderem diesen kleinen Hinweis gibt: „…soweit sie bei der Geburt zugegen waren.“ 

Er war zwar ganz sachlich gesehen im Recht und hätte theoretisch auf die Geburtsanzeige bestehen können; oder zumindest eine schriftliche Ablehnung der Amtshandlung mit Rechtsbehelfsbelehrung einfordern können, doch wusste er zu diesem Zeitpunkt nichts von seinen Möglichkeiten. Es ist auch nicht vorauszusetzen, dass jeder Normalbürger sich mit dem Personenstandsgesetz und der Personenstandsverordnung auszukennen hat. Wohl aber doch ein/e Standesbeamte! Denn PSTG und PSTV sind per se die Arbeitsgrundlage eines jeden Standesbeamten.

PSTV §33, Quelle Juris

In der Tat hätte es nun mehrere Möglichkeiten gegeben, die Anmeldung und Beurkundung dieses Kindes korrekt durchzuführen, doch dies war offensichtlich nicht im Sinne der Standesbeamtin, die ihre Rolle einer staatlichen Autorität ausnutzte um Menschen anderer Überzeugung in die Schranken zu weisen. Sie informierte kurzerhand das Jugendamt, welches mit Polizeigewalt die Mutter mit dem Neugeborenen ins Krankenhaus eskortierte. Es lag zu diesem Zeitpunkt kein Sachverhalt einer Kindeswohlgefährdung vor. Allein die Tatsache, dass die Mutter das Kind nur in Anwesenheit ihres Mannes zu Hause geboren hatte, war Grund für das übergriffige Einschreiten.

Das Versagen lag hier eindeutig auf behördlicher Seite. Eine Standesbeamtin, die ihren eigenen Gesetze und Verordnungen nicht kannte und auf diese Weise einer jungen Familie ihrer Wochenbettzeit und anschließend weiterer neun Monate beraubte. DAS war der ausschlaggebende Punkt, warum der Kontakt zur Spiegel-Reporterin Anna Clauß gesucht wurde! Es ging weder Nicole,  noch mir um eine „Selbstverherrlichung“ oder „Überglorifizierung“ unserer Art des Gebärens. Wir wollten lediglich darauf aufmerksam machen, wie sehr die Rechte von Frauen in unserem ach so freien demokratischen Deutschland mit Füßen getreten werden.

Spiegel-Leser wissen mehr?

Statt über diesen Missstand die Leserschaft informieren zu wollen, schmiss man den Spiegel-Lesern lieber eine provozierende meinungsspaltende Reizwortgeschichte über eine Gebärform hin. (Eine Gebärform, welche seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte  erfolgreich ist, wohlgemerkt.)

Unabhängig davon, ob man Alleingeburten nun gut heißen will oder nicht, bleibt die Frage, warum sich Behörden und Institutionen wie das Jugendamt und das Standesamt nicht an die aktuelle Gesetzeslage halten???  Denn diese sieht tatsächlich noch immer ein Grundrecht auf die freie Wahl des Geburtsortes vor.

Die Rechte einer Frau, ihr Kind an einem freien Ort ihrer Wahl zu gebären, wird auf diese Weise mehr und mehr kriminalisiert. Die Mainstream-Medien tragen ihren Teil dazu bei, dass Eltern den Zugriff des Jugendamtes fürchten müssen, obwohl sie sich für einen Gebär-Weg entschieden haben, der vollkommen rechtens und legal ist.

Abschließend möchte ich mich zu dem Spiegelartikel „Meine Geburt gehört mir“ bzw. „Die Frau als wildes Tier“ hiermit ausdrücklich distanzieren. Der Gesamtartikel wurde ohne unser Einverständnis veröffentlicht. Wir durften uns lediglich unsere eigenen Aussagen als Zitate ansehen. Zitate, welche im Gesamtartikel in einem Kontext stehen, der das Gesagte total verdreht. Jetzt verstehe ich, warum dieses Blatt „Spiegel“ heißt, denn hier werden Geschichten spiegelverkehrt wiedergegeben um den Leser in die gewünschte Richtung zu manipulieren. Spiegel-Leser wissen mehr? Nicht wirklich.

Jobina Schenk

Beitragsbild: Screenshot Spiegel Online

11 Gedanken zu „RICHTIGSTELLUNG zum Spiegelartikel „Meine Geburt gehört mir“ bzw. „Die Frau als wildes Tier““

  1. Sehr gut Jobina!
    Ich finde es wichtig und richtig, dass es deine Richtigstellung gibt!!!
    Der ursprüngliche Artikel hat ja schon fast etwas von einem Schmierblatt!
    Es wurde vom eigentlichen Problem total abgewichen, die Familie öffentlich an den Prager gestellt… zu einem Thema, das ohnehin die Gemüter spaltet. Ich finde es furchtbar, wenn man seinen Amtsstatus missbraucht und ein angebliches Problem hervorschwört, das es nicht gibt und damit auch noch einem Säugling den liebevoll und gut versorgten Start ins Leben nimmt. Schlimm wenn man meint sich über das Recht der Menschen stellen zu müssen und sich derart einzumischen! Es gibt so viele Fälle, in denen es Kindern wirklich schlecht geht. Die wirklich Hilfe brauchen und nicht warten können. Stattdessen macht man es einer intakten Familie schwer, die nichts unrechtes getan hat und es nur an einer unfähigen Standesbeamtin gelegen hat! Eine Beamtin, die ihren Status missbraucht, um ihr Missfallen auszudrücken und dabei nicht einmal Gesetze richtig beherrscht! Traurig traurig!!!!! Unfassbar!
    Gut dass du das klar stellst!

  2. Danke für den Artikel, die Richtigstellung. Ich würde es unfassbar nennen, wenn ich nicht schon so einige unfassbare Erlebnisse mit Behörden hätte erfahren müssen. Traurig.

  3. Hallo Jobina,

    das kannst Du 1:1 in die zweite Auflage Deines Buches unter „Rechtliches“ aufnehmen – damit sowas den zukünftigen Eltern nicht passieren kann!!! Schätzungsweise gibt es wenig Wissen, wie man mit der rechtlichen Situation umgehen kann. Für beide Seiten – den Amtsschimmel wie die Eltern. Umso wichtiger, dass es irgendwo geschrieben steht – und Dein Buch bietet sich dafür 1A an.

    Liebe Grüße, und Kopf hoch!

  4. Liebe Jobina, es ist wirklich eine Frechheit, wie besagte Spiegelreporterin mit Eurer Offenheit und Ehrlichkeit in Bezug auf Alleingeburten umgegangen ist. Mal abgesehen davon, dass immer mehr Geburtskliniken schließen und die Alleingeburt eine gute Alternative (wenn die Frau sich damit sicher fühlt natürlich) ist um zu gebären, wäre es sinnvoll das Thema ganz ehrlich und Mut machend in die Öffentlichkeit zu bringen anstatt es zu zerreißen. Ehrlich gesagt lese iich Spiegel-Online seit ein paar Jahren schon gar nicht mehr, da ich die Berichterstattung als sehr reißerisch und schlecht recherchiert wahrnehme. Deine Erfahrung bestätigt mich in meiner Wahrnehmung, und bestärkt mich darin, diese Seite weiterhin zu meiden. Hab trotzdem Dank, dass Du immer wieder die Courage hast das Thema anzusprechen. Es ist so wichtig, dass Frauen um die Möglichkeit wissen allein bzw. in vertrauter Umgebung gebären zu können! Jobin, wie schön, dass es Dich gibt! Vielen Dank für Deine wertvolle Arbeit! Alles Liebe für Dich!!!

  5. Ohne Worte! Es obliegt der Mutter, wie und wo sie Ihr Kind gebären möchte! In der Tat hätte ich vom Spiegel mehr erwartet – das hier passt für mich eher in die „Bild“-Schublade.

  6. Liebe Jobina ich bin echt Schockiert und ich kann es sehr gut verstehen wie dir zu mute ist wenn du an diesen Artikel denkst.
    Hoffen wir das die Familie bald ihre vollen Rechte zurück bekommt.
    Alles Liebe
    Renee

  7. Hallo Jobina,

    ich war auch sehr betroffen, als ich damals den Kommentar der Oma des Babys unter deinem Blogartikel gelesen habe. Weißt du, wie es mit der Familie seitdem weitergegangen ist? Haben die Eltern ihr Aufenthaltsbestimmungsrecht inzwischen zurückbekommen?

    Liebe Grüße und alles Gute für die Familie 🙂

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