01.01.2020 Natalies Neujahrsbaby. Dieses Mal wie gewünscht.

Natalie hat bereits den Geburtsbericht ihres ersten Kindes 2017 hier veröffentlicht. Damals musste sie ihr Vorhaben einer Alleingeburt abbrechen, aber dieses Mal lief es wie gewünscht. Noch dazu ist ihr Neujahrsbaby die erste gemeldete Alleingeburt in 2020.

Natalies Geburtsbericht:

Auch wenn die Geburt meiner Tochter nicht ganz so verlaufen war, wie ich es erträumt hatte war klar, dass wir unseren Weg gefunden haben. Und so startete Ostermontag 2019 mit dem positiven Schwangerschaftstest eine wahnsinnig aufregende und komplett stressfreie Zeit für uns. Ich machte eine minimale Vorsorge mit meiner Hebamme, vor allem das Tasten der Kindslage war mir wichtig, das Kleine hatte sich aber ganz brav um die 20. Woche in Schädellage begeben und harrte so dann aus. Kein Arzt, kein Ultraschall, keine einzige vaginale Untersuchung. Ich genoss diese Schwangerschaft unendlich, auch wenn sich gegen Ende ein paar Wehwehchen einstellten, die ich in der hiesigen Hebammenpraxis sehr erfolgreich durch Akupunktur und Tapen behandeln ließ. Auch zur geburtsvorbereitenden Akupunktur ging ich diesmal.
Der Geburtstermin sollte so um den 02.01.2020 sein, also bibberte ich mich durch die Weihnachtszeit, weil ich da auf keinen Fall gebären wollte. Und als diese dann überstanden waren, hieß es einfach nur noch Warten. Bis Silvester.

Unsere Tochter warf uns am Silvestermorgen um 7 Uhr aus dem Familienbett und weigerte sich später mit Händen und Füßen gegen einen Mittagsschlaf, so dass wir alle ohne durch den Tag mussten.
Ich war mit meiner Kleinen dann noch bei meiner Mutter, die mittlerweile nur ein paar Häuser entfernt wohnt und wir haben Karten gespielt. Ich hatte hin und wieder ein paar Übungswellen, aber das ging schon ewig so und überraschte mich nicht weiter, wohl aber, dass ich nur sehr wenig Appetit hatte, denn in den letzten Wochen war eher das Gegenteil der Fall gewesen 😀 Mein Mann hatte während unserer Abwesenheit sehr lecker gekocht, aber immer noch bekam ich kaum etwas runter. Nach dem Essen brachte ich die Kleine ins Bett und legte mich dazu, weil ich mittlerweile wirklich müde war, aber während ich noch ein paar Seiten las, wurden die Wellen schon etwas knackiger und vor allem regelmäßiger. Immer noch nichts Wildes, aber jetzt wusste ich, dass es endlich losgeht und ich bald mein Kind kennenlernen durfte. Gegen 23 Uhr verließ ich das Bett, weil ich mich jetzt lieber bewegen wollte und informierte meinen Mann. Ich tastete einmal nach meinem Muttermund, der schon schön weich und gut eröffnet war. Und ich war so positiv, dass es nach dem Marathon bei meiner Tochter diesmal schnell gehen würde. Ein gewaltiger Irrtum. Aber zu dem Zeitpunkt war ich wirklich bester Dinge.
Pünktlich zum Feuerwerk wurde die baldige große Schwester natürlich wach und feierte bis um 2 Uhr eine private kleine Party, während die Geburt immer mehr an Fahrt aufnahm. Als mein Mann die Kleine dann wieder in den Schlaf begleitete, bereitete ich das Kinderzimmer für die Geburt vor. Und als er dann endlich wieder bei mir war, waren wir beide einfach nur müde, was die Geburt nachhaltig prägte. Erst kam eine Phase, in der ich alle 3 bis 4 Minuten schöne kräftige Wellen hatte. Ich saß auf dem Gymnastikball und hängte mich in das Tragetuch, das wir für die Geburt angebracht hatten und konnte super mit den Wellen atmen.
Meine Arbeitsecke
Ich war sehr zufrieden, aber die Stunden zogen sich und ich nickte immer öfter zwischendurch ein. Die Wellen kamen immer seltener. Mein Mann döste auch vor sich hin.
Geburtsarbeit beim Mann 😉
Um 6 fitschte dann der kleine Wirbelwind ins Zimmer. Ich ließ sie von meiner Mutter abholen, die zwar sehr skeptisch gegenüber unserem Vorhaben war, es aber akzeptiert hatte. Sie nahm die Kleine mit und bat darum, auf dem Laufenden gehalten zu werden.
Zu dem Zeitpunkt waren mein Mann und ich, abgesehen von dem Gedöse, schon 24 Stunden auf den Beinen und es sollten noch viele folgen.
Meine Wellen blieben unregelmäßig, irgendwann sah ich nicht mal mehr in Richtung Uhr. Dazu kam eine sehr angeschwollen aber weiche vordere Muttermundslippe, die mich erst sehr verunsicherte. Da denkt man, man wäre umfassend informiert…naja, wir machten uns dann schlau. Da sie vorne und sehr weich war, sollte sie kein ernsthaftes Problem werden, aber sie begleitete mich die ganze restliche Geburt. In der Wanne fühlte ich mich am wohlsten, die Wellen wurden intensiver, aber seltener, also ging ich immer wieder an Land. Insgesamt gab es 3 oder 4 Latenzphasen, die wir so gut wie möglich zum Ausruhen nutzen. Aber die Zeit zog sich und langsam aber sicher wurde ich mürbe.
Gegen 20 Uhr lag ich wieder in der Wanne, als meine Mutter die Kurze zurück brachte. Sie wollte unbedingt zu uns, hat eh noch nie woanders geschlafen und meine Mutter musste am nächsten Tag früh raus. Also habe ich in der Wanne alles gegeben und der Papa das total aufgeregte Kind ins Bett  gebracht. Das zog sich hin, ich verließ nochmal das Wasser und um 21:20 endlich ein richtiger Fortschritt: Die Fruchtblase platze!! Das Wasser war nicht ganz klar, aber auch nicht grün, also locker bleiben, wahrscheinlich Blut vom Muttermund. Und dann mit neuer Energie wieder an die Arbeit. Um 21:30 kam mein Mann wieder zu mir, ich schickte ihn das Fruchtwasser aufwischen und arbeitete wieder sehr gut mit meinen Wellen. Die ganze lange Geburt über konnte ich richtig schön zum Ursprung der Wellen atmen und so waren sie, bis auf einige wenige, die mich in unvorteilhaften Situationen überraschten  komplett schmerzfrei.
Als mein Mann wieder zu mir kam, gelangte ich recht bald an einen absoluten Tiefpunkt (den ich als das gute Zeichen hätte erkennen müssen, das es war, wie oft hatte ich nicht schon davon gelesen), war total verzweifelt und wusste weder aus noch ein. Es folgten ein paar total bescheuerte und rückblickend sehr amüsante Wortwechsel zwischen mir und meinem Mann über RTWs, Krankenhäuser und Kaiserschnitte und zwischendrin hatte ich endlich die so erhofften kräftigen und regelmäßigen Wellen.
Als sich die nächste anbahnte verkündete ich meinem Mann, dass es mir jetzt reicht und ich das Kind jetzt einfach rausschiebe, was ich mir selbst nicht glaubte, weil ich bei der Kopfgeburt meiner Tochter jeden Millimeter hart erarbeitet hatte. Also ging ich vor der Fensterbank auf die Knie, nahm die Kraft der Welle mit und schob kräftig nach unten. Und dann spürte ich, wie der kleine Kopf, der da noch kaum das Becken verlassen hatte, wie ein Mini-Bulldozer den Geburtsweg runter donnerte und dann zur Hälfte geboren war. Ich machte ihm Platz und verkündete, dass der Kopf kommt. ,,Kann nicht sein!“ ,,Doch!“ ,,Da ist er ja wirklich!“ ,,Ich halte das nicht aus, ich schieb den jetzt raus!“ ,,Versuch auf die nächste Welle zu warten!“ ,,Das halte ich auf keinen Fall aus!“ und dann ließ ich ohne Kraftaufwand zu, dass der Kopf sich aus mir heraus schob. Ich bat meinen Mann ein Foto zu schießen, merkte dann, wie der kleine Mensch sich umsah und verkündete, dass es dem Kind gut geht und ich es geschafft hatte!! Mit der nächsten Welle gebar ich unser Kind in die Hände seines Vaters. Er reichte ihn mir direkt und sofort sah ich, dass wir dieses Mal einen Sohn bekommen hatten. Er wurde direkt rosig, atmete und schrie uns an.
Wie überwältigend es wieder war, dieses Wunder zu erleben! Diesen so lang ersehnten, wunderschönen und kerngesunden Menschen endlich im Arm halten zu können.
Und obwohl ich zu dem Zeitpunkt schon 40 Stunden mehr oder weniger wach war, war ich plötzlich voller Energie.
Stolz und glücklich nach getaner Arbeit
Gut eine Stunde später wurde die große Schwester wach und begrüßte ihren Bruder. Dann hielt sie ihn zusammen mit dem Papa und ich gebar die Plazenta, danach wurde abgenabelt. Bis auf zwei Schürfungen blieb ich trotz der letztlich rasanten Geburt unverletzt. Ich nahm ein paar Stunden später noch schnell eine Dusche, ansonsten war mein Junge die ersten 10 Stunden fast ununterbrochen Haut an Haut mit mir. Er stillt von Anfang an wie ein Profi.
Am nächsten Morgen kam die Hebamme zum Messen und wiegen: 52cm, 3350gramm, 35cm Kopfumfang.
Ich glaube, ich bin ein sehr gutes Beispiel dafür, wie wichtig ein Umdenken in der Geburtsmedizin ist. Dort gibt es nur Platz für die eine standardisierte Geburt, wenn man nicht der Norm entspricht, wird interveniert, und das endet immer öfter beim Kaiserschnitt.
Ich gebäre ganz und gar nicht wie im Lehrbuch, ich brauche viel Zeit, mein Körper hat seinen ureigenen und unberechenbaren Rhythmus, aber ich bringe meine Kinder aus eigener Kraft und wundervoll zur Welt. Wir Frauen können es einfach, jede auf ihre Art.
Liebe Grüße,
Natalie
Text und Fotos © Natalie

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