Wenn das Vorhaben einer Alleingeburt selbstbestimmt abgebrochen wird. Eine Mama erzählt.

Ein Gast-Geburtsbericht von Natalie, die als Erstgebärende eigentlich eine Alleingeburt geplant und sich gut vorbereitet hatte, dann aber mitten im Geburtsgeschehen merkte, dass etwas suboptimal war.
Natalie schrieb mir:

Als ich im Oktober 2016 erfuhr, dass ich schwanger bin, war das erste, was ich nach der euphorischen Freude zu meinem Mann sagte, dass ich nicht ins Krankenhaus will. Um die bescheidene Hausgeburtshebammen-Situation war ich im Bilde, da eine sehr gute Freundin Hebamme ist. 3 Monate versuchte ich mich mit dem Gedanken anzufreunden, doch in einer Klinik zu gebären, aber mir wurde dabei richtig schlecht und alles sträubte sich in mir. Dabei freute ich mich unsagbar auf dieses Erlebnis. Dann stieß ich im ,,Geburtsbuch” von Nora Imlau auf das Thema Alleingeburt. Ich hatte bis dahin geglaubt, man DARF sein Kind nicht alleine bekommen, was zeigt, wie wichtig deine Arbeit ist.
Ich bin Buchhändlerin und las auf der Arbeit, und bei den beiden Berichten, die dort zu dem Thema stehen, brach ich hinter der Kass in Tränen aus, so berührt war ich von diesen selbstbestimmten und entspannten Geburten. Sofort war für mich klar: Das ist mein Weg. Mein Mann war nicht schwer an Bord zu holen, 2 Freundinnen wurden eingeweiht, ansonsten erzählte ich allen, ich würde mit meiner Hebamme im Krankenhaus entbinden, auch der Hebamme.
Dann begann ich mich intensiv vorzubereiten, mehrere Stunden Yoga täglich und lesen, lesen, lesen. ,,Alleingeburt” von Sarah Schmid war mir das wichtigste Buch, ansonsten schöpfte ich immer wieder Mut und Inspiration aus den Erfahrungsberichten auf euer beider Homepages.
Recht bald hörte ich auf mit der ,,Vorsorge” beim Arzt und beschränkte mich auf Plaudereien mit meiner Hebamme. Ich war die entspannteste Schwangere überhaupt. Am Stichtag zogen wir noch um, ein Freitag, ich räumte samstags Schlafzimmer, Bäder und Küche ein und gab meinem Baby Bescheid, dass ich jetzt bereit bin.
Sonntags ging es um kurz nach 11 mit leichten Wehen los und der Schleimpfropf löste sich. Am späten Nachmittag wurde die Abstände kürzer, bis sie nur noch 4 Minuten auseinander lagen und ich bekam schreckliche Rückenwehen. Sie waren sehr schmerzhaft, aber da ich ungestört Zuhause war, mein Mann ließ mich machen, konnte ich super damit umgehen, atmen, tönen und meinen Körper sagen lassen, was jetzt richtig ist. Das ging bis nachts und plötzlich: leichtere Wehe alle 15 Minuten. Ich war überrascht, aber auch dankbar und schlief nochmal, so viel es ging. Der Muttermund hatte sich eh nur minimal geöffnet.
Am nächsten Morgen ging es weiter, die Abstände verkürzten sich wieder bis auf 4 Minuten, schlimme Rückenwehen, aber händelbar, nur am Muttermund tat sich nichts. Irgendwann fühlte ich gar nicht mehr. Erst um halb 1 in der Nacht wieder, und siehe da: Ich konnte den Kopf und die  Fruchtblase ertasten! Dann folgte eine lange Nacht.
Noch immer hatte ich alle 4 Minuten schmerzhafte Wehen, noch immer ließ ich meinen Körper übernehmen. So richtig tat sich noch nichts und pressen fühlte sich nicht richtig an. Vielleicht dachte ich das aber auch nur, weil mir die Erfahrung fehlte. In den Wehenpausen schlief ich.
Um 6 Uhr bat ich meinen Mann, unsere Hebammen-Freundin anzurufen. Mir und dem Kind ging es gut, ich hatte von Anfang an eine intensive Verbindung zum Baby und spürte, dass alles okay war, aber irgendetwas war suboptimal.
Meine Hebamme kam eine Stunde später und ich weihte sie ein und betonte, dass ich auf keinem Fall ins Krankenhaus gehen werde. Sie war total gefasst. Sie hätte das heute Nacht geträumt, sagte sie und holte ihre Tasche aus dem Auto.
Sie hörte die Herztöne ab, war mehr als zufrieden und ließ mich machen, während sie mit meinem Mann frühstückten und staunte, wie gut wir vorbereitet waren. Die Zeit spielte keine Rolle mehr und irgendwann bat ich meine Hebamme endlich die Fruchtblase zu sprengen und es kam wieder Bewegung in die Sache. Meine Hebamme und mein Mann blieben jetzt bei mir ins Schlafzimmer und ermutigen mich während der Kopfgeburt. Bis dahin hatte ich alles im Stehen beziehungsweise in der Hocke gemacht, aber meine Beine zitterten wie irre und meine Hebamme schlug mir vor, mich auf die Seite aufs Bett zu legen, was eine sehr gute Idee war.
Und dann gebar ich ganz alleine, mit zwei lieben Menschen bei mir mein erstes Kind, langsam und mühsam, aber Zuhause. Mein Mann lag hinter mir und hielt meine Hände und meine wunderbare Hebamme  sprach mir gut zu mitzuschieben. Und dann endlich war der Kopf draußen und mit der nächsten Wehe das ganze Kind. Das war am Dienstag um 12:54 Uhr.
Ich riss mir mein Nachthemd vom Körper und schnappte mir mein Kind, ein Mädchen, ich hatte es von Anfang an geahnt, und war nie im Leben glücklicher. Ich glaube ich weinte. Ich legte die Kleine an und 15 Minuten später wurde problemlos und vollständig die Plazenta geboren. Erst dann wurde abgenabelt.
Ich habe keine Verletzungen davongetragen und strotzte plötzlich wieder vor Energie. Meine Hebamme erklärte uns, dass meine Tochter BEIDE Hände am Gesicht hatte, was so einiges erklärt 🙂
Letztendlich kam es alles anders, als geplant, aber die Geburt war wunderschön, entspannt und selbstbestimmt. Ich weine auch jetzt, wo ich es schreibe wieder vor Glück.
Sehr bald wollen wir wieder beginnen zu üben und wieder werde ich Zuhause bleiben und es dieses mal hoffentlich auch wirklich alleine vollbringen können. Ich freue mich schon jetzt.
Danke für deine Arbeit, ohne sie würde ich vielleicht wie ALLE meine Freundinnen auf eine fremdbestimmte und traumatische Geburt zurückblicken.
Mit den liebsten Grüßen,
Natalie

Das Gefühl, welches Natalie hatte, als sie bemerkte, dass irgendetwas suboptimal war, bestätigte sich mit den beiden Händen, die ihr Mädchen vor dem Gesicht hatte. Die Drehung des Köpfchens ins mütterliche Becken wird dadurch erschwert. Auch der Geburtskanal muss sich weiter öffnen, als bei einer physiologischen Schädellage. Ich finde Natalie´s Bericht daher unheimlich wichtig, denn er zeigt, dass wir Frauen uns auf unsere Wahrnehmung verlassen können.

Babyfoto © Natalie (Das erste Foto von ihrem Mädchen. Es zeigt wie entspannt sie ist.)

Beitragsfoto © Pixabay_ArtsyBee

 

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