Sandra ist Erstgebärende und bereitet sich auf eine Hausgeburt mit Hebamme vor. Doch dann kommt es anders als erwartet und sie meistert eine Alleingeburt am Heiligabend. Hier teilt Sandra ihren Geburtsbericht mit Dir:
„Umarmt eure Kinder fest! Und sagt ihnen, wie sehr ihr sie liebt!“
Als Norman und ich den Wunsch fassten ein Baby zu bekommen, war eines von Anfang an klar: Es wird keine Klinikgeburt. Schnell wurde der Gedanke an ein Geburtshaus verworfen, da wir hier keines mehr haben. Ich fand in der nächstgrößeren Stadt glücklicherweise eine Hausgeburtshebamme. Sie durfte allerdings nur deshalb meine Betreuung übernehmen, weil es auch hier keine Hausgeburtshebammen mehr gibt. Es gab an der Sache nur einen Haken: In der Weihnachtswoche, die bereits in die Rufbereitschaft fiel, war sie für eine Woche nicht abrufbar, da sie ihre Familie besuchte. Für diese Zeit bekamen wir glücklicherweise eine Vertretung organisiert, denn eine andere Hausgeburtshebamme aus derselben Stadt erklärte sich bereit, diese Woche abzudecken. Parallel dazu hatten wir uns dennoch einen Platz in einer der besten Kliniken mit anthroposophischer Geburtshilfe gesichert, falls es im Vorfeld zu Komplikationen gekommen wäre. Kurz vor der besagten Weihnachtswoche haben wir allerdings bescheid bekommen, dass die vertretende Hebamme aufgrund eines familiären Todesfalls nun doch nicht zur Verfügung steht.
So weit, so gut… Und dann kam das Leben
Am Nachmittag des 24.12.17, so gegen 13.30 Uhr lief eine rosa Flüssigkeit aus mir heraus. Etwas verunsichert rief ich Lily, meine Hebamme, an, die zu der Zeit einige Hundert Kilometer entfernt ihre Familie besuchte. Da sie mir nicht eindeutig sagen konnte, ob es der Schleimpfropf oder Fruchtwasser ist, sollte ich mich an die Klinik wenden. Ich rief also erstmal dort an, aber die diensthabende Hebamme beruhigte mich und meinte, dass es sich laut meiner Beschreibung um abgehenden Schleim gehandelt habe. Wir hatten nun die Wahl einer betreuten Krankenhausgeburt in unserer Wunschklinik oder einer Alleingeburt zuhause. Ich habe einen kurzen Augenblick überlegt, aber ich fühlte mich sicher und wohl. Auch Norman sprach mir Mut zu und war ebenfalls voll im Vertrauen. Wir waren uns sicher: Diese Geburt wird ruhig, klar und kraftvoll! Langsam begannen die ersten Wehen, die wellenartig alle 10 Minuten für etwa 50 Sekunden kamen. Wir entschieden uns, erstmal eine Kohlsuppe anzusetzen und begannen daraufhin, das ganze Gemüse zu schnippeln. Während alles kochte, nahm ich ein Wannenbad um die Wehentätigkeit zu beobachten. Sie kamen jetzt alle 3 bis 5 Minuten für circa eine Minute. Ich telefonierte anschließend mit Lily und veratmete dann gemeinsam mit ihr am Telefon eine Wehe. Später, so gegen 20 Uhr, kam unsere Freundin, die im Rahmen ihrer Berufung als Doula unsere Geburtsreise begleitete. Ich saß zu der Zeit auf dem Gymnastikball und atmete mit den Wehen. Wir befestigten ein Tragetuch an unserer Badezimmertür, in das ich mich hineinhängen und einfach alles fallenlassen konnte. Das tat ich auch – mit einem Teller unserer leckeren Suppe, die wir zuvor gekocht hatten. So ging das für einige Zeit, während ich die Teller in der Wehe immer auf den nebenstehenden Katzenbaum abstellen musste. Norman füllte den Geburtspool mit Wasser und gab neben Meersalz auch wunderbar duftende Wildrosenessenz hinzu. Den Pool haben wir im Wohnzimmer aufgebaut, welches von warmem orangefarbenem Licht durchflutet wurde. Gegen 20.30 Uhr begab ich mich ins Wasser, worin ich mich leicht und geborgen fühlte.
Zu Beginn machten wir noch Späße und unterhielten uns gut. Mit der Zeit wurde es aber anstrengend und ich benötigte meine Kraft zunehmend für mich selbst. Norman streichelte mir sanft den Kopf, reichte mir hin und wieder ein Glas Wasser und sprach mir kraftvolle Worte zu. Auch Navina ermunterte mich, jetzt mutig zu sein und mich zu öffnen, um mein wunderbares Kind zu empfangen. Die ganze Zeit über standen wir in intensivem Kontakt, so wie auch während der gesamten Schwangerschaft. Ich wusste, dass es nun an mir lag. Wenn ich so weit bin, wird es durch mich hindurchgleiten. Ich kam an den Punkt, an dem vermutlich jede Frau einmal steht, und dachte, ich halte es nicht mehr aus. Der Druck wurde so stark, dass ich eine Pause einlegen und „nach Hause gehen“ wollte um mich auszuruhen, aber mein Kind gab mir zu verstehen, dass wir jetzt nicht mehr aufhören konnten. Im nächsten Augenblick bekam ich einen unglaublichen Drang zu drücken. Ich gab ihm nach und schob mein Becken, während ich am Poolrand kniete, etwas nach vorn, und richtete meinen Oberkörper instinktiv auf. Ungefähr viermal bekam ich diese gewaltige Kraft zu spüren. Ich erlebte jede Sekunde und war vollkommen präsent. Als ich ein leichtes Brennen spürte, wusste ich, dass dies nur das Köpfchen sein konnte. So stellte ich mein Bein auf und mein Kind ist in einem Schwung aus mir heraus ins warme Wasser geschwommen. Da war er, dieser Moment, den ich so lange herbeigesehnt hatte. Mein Sohn war geboren! Er war so friedvoll, hielt die Augen sanft geschlossen und ruhte einfach weiter in meinen Armen. Ich setzte mich hin, lehnte mich genussvoll an den Rand des Pools und schaute ihn mir einfach nur an. Er ist so perfekt, so vollkommen. Ich konnte nicht fassen, was da gerade passiert war.
Mir war immer bewusst, dass ein Kind das Allergrößte im Leben ist. Aber wie groß dieses Allergrößte ist, begriff ich in diesem Augenblick. Sein Name ist Janus Amares und er kam am 24.12.2017 um 23.13 Uhr zur Welt. Wir legten uns im Anschluss gemeinsam auf die Couch und genossen die ersten Stunden bis ins Morgengrauen zu Dritt – in absoluter Verbundenheit.
Text und Fotos © Sandra W.